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die Nester, wo ich meistens in Garnison war. SCHAUSPIELERIN

Ja, was haben Sie denn in Ungarn gemacht?

GRAF

Na, wie ich sag’, Fräulein, Dienst.

SCHAUSPIELERIN

Ja, warum sind Sie denn so lang in Ungarn geblieben?

GRAF

Ja, das kommt so.

SCHAUSPIELERIN

Da muĂź man ja wahnsinnig werden.

GRAF

Warum denn? Zu tun hat man eigentlich mehr wie da. Wissen S’ Fräulein, Rekruten ausbilden, Remonten reiten... und dann ist’s nicht so arg mit der Gegend, wie man sagt. Es ist schon ganz was schönes, die Tiefebene — und so ein Sonnenuntergang, es ist schade, daß ich kein Maler bin, ich hab mir manchmal gedacht, wenn ich ein Maler wär’, tät’ ich’s malen. Einen haben wir gehabt beim Regiment, einen jungen Splany, der hat’s können. — Aber was erzähl ich Ihnen da für fade G’schichten, Fräulein.

SCHAUSPIELERIN

Oh bitte, ich amüsiere mich königlich.

GRAF

Wissen S’ Fräulein, mit Ihnen kann man plaudern, das hat mir der Lulu schon g’sagt, und das ist’s, was man so selten find’t.

SCHAUSPIELERIN

Nun freilich, in Ungarn.

GRAF

Aber in Wien gradso! Die Menschen sind überall dieselben; da wo mehr sind, ist halt das Gedräng’ größer, das ist der ganze Unterschied. Sagen S’ Fräulein, haben Sie die Menschen eigentlich gern?

SCHAUSPIELERIN

Gern — ?? Ich hasse sie! Ich kann keine sehn! Ich seh’ auch nie jemanden. Ich bin immer allein, dieses Haus betritt niemand.

GRAF

Sehn S’, das hab’ ich mir gedacht, daß Sie eigentlich eine Menschenfeindin sind. Bei der Kunst muß das oft vorkommen. Wenn man so in den höheren Regionen... na, Sie haben’s gut, Sie wissen doch wenigstens, warum Sie leben!

SCHAUSPIELERIN

Wer sagt Ihnen das? Ich habe keine Ahnung, wozu ich lebe!

GRAF

Ich bitt’ Sie, Fräulein, — berühmt — gefeiert —

SCHAUSPIELERIN

Ist das vielleicht ein GlĂĽck?

GRAF

Glück? Bitt’ Sie Fräulein, Glück gibt’s nicht. Überhaupt gerade die Sachen, von denen am meisten g’redt wird, gibt’s nicht... zum Beispiel Liebe. Das ist auch so was.

SCHAUSPIELERIN

Da haben Sie wohl recht.

GRAF

Genuß... Rausch... also gut, da läßt sich nichts sagen... das ist was Sicheres. Jetzt genieße ich... gut, weiß ich, ich genieß’. Oder ich bin berauscht, schön. Das ist auch sicher. Und ist’s vorbei, so ist es halt vorbei.

SCHAUSPIELERIN
groĂź.

Es ist vorbei!

GRAF

Aber sobald man sich nicht, wie soll ich mich denn ausdrücken, sobald man sich nicht dem Moment hingibt, also an später denkt oder an früher... na, ist es doch gleich aus. Später... ist traurig... früher ist ungewiß... mit einem Wort... man wird nur konfus. Hab’ ich nicht recht?

SCHAUSPIELERIN
nickt mit groĂźen Augen.

Sie haben wohl den Sinn erfaĂźt.

GRAF

Und sehen S’, Fräulein, wenn einem das einmal klar geworden ist, ist’s ganz egal, ob man in Wien lebt oder in der Pußta oder in Steinamanger. Schaun S’ zum Beispiel... wo darf ich denn die Kappen hinlegen? So, ich dank’ schön... wovon haben wir denn nur gesprochen?

SCHAUSPIELERIN

Von Steinamanger.

GRAF

Richtig. Also wie ich sag’, der Unterschied ist nicht groß. Ob ich am Abend im Kasino sitz’ oder im Klub, ist doch alles eins.

SCHAUSPIELERIN

Und wie verhält sich denn das mit der Liebe?

GRAF

Wenn man dran glaubt, ist immer eine da, die einen gern hat.

SCHAUSPIELERIN

Zum Beispiel das Fräulein Birken.

GRAF

Ich weiß wirklich nicht, Fräulein, warum Sie immer auf die kleine Birken zu reden kommen.

SCHAUSPIELERIN

Das ist doch Ihre Geliebte.

GRAF

Wer sagt denn das?

SCHAUSPIELERIN

Jeder Mensch weiĂź das.

GRAF

Nur ich nicht, es ist merkwĂĽrdig.

SCHAUSPIELERIN

Sie haben doch ihretwegen ein Duell gehabt!

GRAF

Vielleicht bin ich sogar tot geschossen worden und hab’s gar nicht bemerkt.

SCHAUSPIELERIN

Nun, Herr Graf, Sie sind ein Ehrenmann. Setzen Sie sich näher.

GRAF

Bin so frei.

SCHAUSPIELERIN

Hierher. Sie zieht ihn an sich, fährt ihm mit der Hand durch die Haare. Ich hab’ gewußt, daß Sie heute kommen werden!

GRAF

Wieso denn?

SCHAUSPIELERIN

Ich hab’ es bereits gestern im Theater gewußt.

GRAF

Haben Sie mich denn von der BĂĽhne aus gesehen?

SCHAUSPIELERIN

Aber Mann! Haben Sie denn nicht bemerkt, daĂź ich nur fĂĽr Sie spiele?

GRAF

Wie ist das denn möglich?

SCHAUSPIELERIN

Ich bin ja so geflogen, wie ich Sie in der ersten Reihe sitzen sah!

GRAF

Geflogen? Meinetwegen? Ich hab’ keine Ahnung gehabt, daß Sie mich bemerken!

SCHAUSPIELERIN

Sie können einen auch mit Ihrer Vornehmheit zur Verzweiflung bringen.

GRAF

Ja, Fräulein...

SCHAUSPIELERIN

„Ja, Fräulein”!... So schnallen Sie doch wenigstens Ihren Säbel ab!

GRAF

Wenn es erlaubt ist.

Schnallt ihn ab, lehnt ihn ans Bett. SCHAUSPIELERIN

Und gib mir endlich einen KuĂź.

Graf küßt sie, sie läßt ihn nicht los.

Dich hätte ich auch lieber nie erblicken sollen.

GRAF

Es ist doch besser so!

SCHAUSPIELERIN

Herr Graf, Sie sind doch ein Poseur!

GRAF

Ich — warum denn?

SCHAUSPIELERIN

Was glauben Sie, wie glücklich wär’ mancher, wenn er an Ihrer Stelle sein dürfte!

GRAF

Ich bin sehr glĂĽcklich.

SCHAUSPIELERIN

Nun, ich dachte, es gibt kein GlĂĽck. Wie schaust du mich denn an? Ich glaube Sie haben Angst vor mir, Herr Graf!

GRAF

Ich sag’s ja, Fräulein, Sie sind ein Problem.

SCHAUSPIELERIN

Ach laß du mich in Frieden mit der Philosophie... komm zu mir. Und jetzt bitt’ mich um irgendwas... du kannst alles haben, was du willst. Du bist zu schön.

GRAF

Also ich bitte um die Erlaubnis ihre Hand kĂĽssend, daĂź ich heute abends wiederkommen darf.

SCHAUSPIELERIN

Heut abend... ich spiele ja.

GRAF

Nach dem Theater.

SCHAUSPIELERIN

Um was anderes bittest du nicht?

GRAF

Um alles andere werde ich nach dem Theater bitten.

SCHAUSPIELERIN
verletzt.

Da kannst du lange bitten, du elender Poseur.

GRAF

Ja schauen Sie, oder schau, wir sind doch bis jetzt so aufrichtig miteinander gewesen... Ich fände das alles viel schöner am Abend nach dem Theater... gemütlicher als jetzt, wo... ich hab’ immer so die Empfindung, als könnte die Tür aufgehn...

SCHAUSPIELERIN

Die geht nicht von auĂźen auf.

GRAF

Schau, ich find’, man soll sich nicht leichtsinnig von vornherein was verderben, was möglicherweise sehr schön sein könnte.

SCHAUSPIELERIN

Möglicherweise!...

GRAF

In der Früh, wenn ich die Wahrheit sagen soll, find’ ich die Liebe gräßlich.

SCHAUSPIELERIN

Nun — du bist wohl das Irrsinnigste, was mir je vorgekommen ist!

GRAF

Ich red’ ja nicht von beliebigen Frauenzimmern... schließlich im allgemeinen ist’s ja egal. Aber Frauen wie du... nein, du kannst mich hundertmal einen Narren heißen. Aber Frauen wie du... nimmt man nicht vor dem Frühstück zu sich. Und so... weißt... so...

SCHAUSPIELERIN

Gott, was bist du sĂĽĂź!

GRAF

Siehst du das ein, was ich g’sagt hab’, nicht wahr. Ich stell’ mir das so vor —

SCHAUSPIELERIN

Nun, wie stellst du dir das vor?

GRAF

Ich denk’ mir... ich wart’ nach dem Theater auf dich in ein Wagen, dann fahren wir zusammen also irgendwohin soupieren —

SCHAUSPIELERIN

Ich bin nicht das Fräulein Birken.

GRAF

Das hab’ ich ja nicht gesagt. Ich find’ nur, zu allem g’hört Stimmung. Ich komm’ immer erst beim Souper in Stimmung. Das ist dann das Schönste, wenn man so vom Souper zusamm nach Haus fahrt, dann...

SCHAUSPIELERIN

Was ist dann?

GRAF

Also dann... liegt das in der Entwicklung der Dinge.

SCHAUSPIELERIN

Setz dich doch näher. Näher.

GRAF
sich aufs Bett setzend.

Ich muß schon sagen, aus den Polstern kommt so ein... Reseda ist das — nicht?

SCHAUSPIELERIN

Es ist sehr heiĂź hier, findest du nicht?

Graf neigt sich und kĂĽĂźt ihren Hals.

Oh, Herr Graf, das ist ja gegen Ihr Programm.

GRAF

Wer sagt denn das? Ich hab’ kein Programm.

SCHAUSPIELERIN zieht ihn an sich.

Es ist wirklich heiĂź.

SCHAUSPIELERIN

Findest du? Und so dunkel, wie wenn’s Abend wär... reißt ihn an sich. Es ist Abend... es ist Nacht... Mach die Augen zu, wenn’s dir zu licht ist. Komm! Komm!...

Graf wehrt sich nicht mehr. SCHAUSPIELERIN

Nun, wie ist das jetzt mit der Stimmung, du Poseur?

GRAF

Du bist ein kleiner Teufel.

SCHAUSPIELERIN

Was ist das fĂĽr ein Ausdruck?

GRAF

Na, also ein Engel.

SCHAUSPIELERIN

Und du hättest Schauspieler werden sollen! Wahrhaftig! Du kennst die Frauen! Und weißt du, was ich jetzt tun werde?

GRAF

Nun?

SCHAUSPIELERIN

Ich werde dir sagen, daĂź ich dich nie wiedersehen will.

GRAF

Warum denn?

SCHAUSPIELERIN

Nein, nein. Du bist mir zu gefährlich! Du machst ja ein Weib toll. Jetzt stehst du plötzlich vor mir, als wär nichts geschehn.

GRAF

Aber...

SCHAUSPIELERIN

Ich bitte sich zu erinnern, Herr Graf, ich bin soeben Ihre Geliebte gewesen.

GRAF

Ich werd’s nie vergessen!

SCHAUSPIELERIN

Und wie ist das mit heute abend?

GRAF

Wie meinst du das?

SCHAUSPIELERIN

Nun du wolltest mich ja nach dem Theater erwarten?

GRAF

Ja, also gut, zum Beispiel ĂĽbermorgen.

SCHAUSPIELERIN

Was heiĂźt das, ĂĽbermorgen? Es war doch von heute die Rede.

GRAF

Das hätte keinen rechten Sinn.

SCHAUSPIELERIN

Du Greis!

GRAF

Du verstehst mich nicht recht. Ich mein’ das mehr, was, wie soll ich mich ausdrücken, was die Seele anbelangt.

SCHAUSPIELERIN

Was geht mich deine Seele an.

GRAF

Glaub mir, sie gehört mit dazu. Ich halte das für eine falsche Ansicht, daß man das so voneinander trennen kann.

SCHAUSPIELERIN

LaĂź mich mit deiner Philosophie in Frieden. Wenn ich das haben will, lese ich BĂĽcher.

GRAF

Aus BĂĽchern lernt man ja doch nie.

SCHAUSPIELERIN

Das ist wohl wahr! Drum sollst du mich heut abend erwarten. Wegen der Seele werden wir uns schon einigen, du Schurke!

GRAF

Also wenn du erlaubst, so werde ich mit meinem Wagen...

SCHAUSPIELERIN

Hier in meiner Wohnung wirst du mich erwarten —

GRAF

... Nach dem Theater.

SCHAUSPIELERIN

NatĂĽrlich.

Er schnallt den Säbel um. SCHAUSPIELERIN

Was machst du denn da?

GRAF

Ich denke, es ist Zeit, daß ich geh’. Für einen Anstandsbesuch bin ich doch eigentlich schon ein bissel lang geblieben.

SCHAUSPIELERIN

Nun, heut abend soll es kein Anstandsbesuch werden.

GRAF

Glaubst du?

SCHAUSPIELERIN

Dafür laß nur mich sorgen. Und jetzt gib mir noch einen Kuß, mein kleiner Philosoph. So, du Verführer, du... süßes Kind, du Seelenverkäufer, du Iltis... du... Nachdem sie ihn ein paarmal heftig geküßt, stößt sie ihn heftig von sich. Herr Graf, es war mir eine große Ehre!

GRAF

Ich küss’ die Hand, Fräulein! Bei der Tür. Auf Wiederschaun.

SCHAUSPIELERIN

Adieu, Steinamanger!

DER GRAF UND DIE DIRNE
Morgen, gegen sechs Uhr. Ein ärmliches Zimmer, einfenstrig, die gelblichschmutzigen Rouletten sind heruntergelassen. Verschlissene grünliche Vorhänge. Eine Kommode, auf der ein paar Fotografien stehen und ein auffallend geschmackloser, billiger Damenhut liegt. Hinter dem Spiegel billige japanische Fächer. Auf dem Tisch, der mit einem rötlichen Schutztuch überzogen ist, steht eine Petroleumlampe, die schwach brenzlich brennt, papierener, gelber Lampenschirm, daneben ein Krug, in dem ein Rest von Bier ist, und ein halbgeleertes Glas. Auf dem Boden neben dem Bett liegen unordentlich Frauenkleider, als wenn sie eben rasch abgeworfen worden wären. Im Bett liegt schlafend die Dirne, sie atmet ruhig. — Auf dem Diwan, völlig angekleidet, liegt der Graf, im Drapp-Überzieher, der Hut liegt zu Häupten des Diwans auf dem Boden. GRAF
bewegt sich, reibt die Augen, erhebt sich rasch, bleibt sitzen, schaut um sich.

Ja, wie bin ich denn... Ah so... Also bin ich richtig mit dem Frauenzimmer nach Haus... Er steht rasch auf, sieht ihr Bett. Da liegt s’ ja... Was einem noch alles in meinem Alter passieren kann. Ich hab’ keine Idee, haben s’ mich da heraufgetragen? Nein... ich hab’ ja gesehn — ich komm in das Zimmer... ja... da bin ich noch wach gewesen oder wach worden... oder... oder ist vielleicht nur, daß mich das Zimmer an was erinnert?... Meiner Seel, na ja... gestern hab’ ich’s halt g’sehn Sieht auf die Uhr. Was! Gestern, vor ein paar Stunden — Aber ich hab’s g’wußt, daß was passieren muß... ich hab’s g’spürt — wie ich ang’fangen hab’ zu trinken gestern, hab’ ich’s g’spürt, daß... Und was ist denn passiert?... Also nichts... Oder ist was...? Meiner Seel... seit... also seit

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