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ist meine Schwester! 
 
Sie umarmend. SITTAH
Wer hatte, dies zu können, mich so reich 
Gemacht, als du, mein Bruder? 
  AL-HAFI
Wird schon auch 
So bettelarm sie wieder machen, als 
Er selber ist.  
  SALADIN
Ich arm? Der Bruder arm? 
Wann hab ich mehr? wann weniger gehabt? — 
Ein Kleid, ein Schwert, ein Pferd — und einen Gott! — 
Was brauch ich mehr? wann kann’s an dem mir fehlen? 
und doch, Al-Hafi, könnt ich mit dir schelten. 
  SITTAH
Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater 
Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!  
  SALADIN
Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit 
Auf einmal wieder nieder! — Mir, für mich 
Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm, 
Ihm fehlet; und in ihm uns allen. — Sagt, 
Was soll ich machen? — Aus Ägypten kommt 
Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt, 
Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. — 
Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern, 
Mir gern gefallen lassen, wenn es mich, 
Bloß mich betrifft; bloß ich, und niemand sonst 
Darunter leidet. — Doch was kann das machen? 
Ein Pferd, ein Kleid, ein Schwert, muß ich doch haben. 
Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen. 
Ihm g’nügt schon so mit wenigem genug; 
Mit meinem Herzen. — Auf den Überschuss 
Von deiner Kasse, Hafi, hatt ich sehr 
Gerechnet. 
  AL-HAFI
Überschuss? — Sagt selber, ob 
Ihr mich nicht hättet spießen, wenigstens 
Mich drosseln lassen, wenn auf Überschuss 
Ich von Euch wär ergriffen worden. Ja, 
Auf Unterschleif! das war zu wagen. 
  SALADIN
Nun, 
Was machen wir denn aber? — Konntest du 
Vorerst bei niemand anderm borgen, als 
Bei Sittah? 
  SITTAH
Würd ich dieses Vorrecht, Bruder, 
Mir haben nehmen lassen? Mir von ihm? 
Auch noch besteh ich drauf. Noch bin ich auf 
Dem Trocknen völlig nicht. 
  SALADIN
Nur völlig nicht! 
Das fehlte noch! — Geh gleich, mach Anstalt, Hafi! 
Nimm auf, bei wem du kannst! und wie du kannst! 
Geh, borg, versprich. — Nur, Hafi, borge nicht 
Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen 
Von diesen, möchte wiederfordern heißen. 
Geh zu den Geizigsten; die werden mir 
Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl, 
Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert. 
  AL-HAFI
Ich kenne deren keine.  
  SITTAH
Eben fällt 
Mir ein, gehört zu haben, Hafi, dass 
Dein Freund zurückgekommen. 
  AL-HAFI
betroffen
Freund? mein Freund? 
Wer wär denn das? 
  SITTAH
Dein hochgepriesner Jude. 
  AL-HAFI
Gepriesner Jude? hoch von mir? 
  SITTAH
Dem Gott, — 
Mich denkt des Ausdrucks noch recht wohl, des einst 
Du selber dich von ihm bedientest, — dem 
Sein Gott von allen Gütern dieser Welt 
Das Kleinst’ und Größte so in vollem Maß 
Erteilet habe. — 
  AL-HAFI
Sagt’ ich so? — Was meint 
Ich denn damit? 
  SITTAH
Das Kleinste: Reichtum. Und 
Das Größte: Weisheit. 
  AL-HAFI
Wie? von einem Juden? 
Von einem Juden hätt ich das gesagt? 
  SITTAH
Das hättest du von deinem Nathan nicht 
Gesagt?  
  AL-HAFI
Ja so! von dem! vom Nathan! — Fiel 
Mir der doch gar nicht bei. — Wahrhaftig? Der 
Ist endlich wieder heim gekommen? Ei! 
So mag’s doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn. — 
Ganz recht: den nannt einmal das Volk den Weisen! 
Den Reichen auch. 
  SITTAH
Den Reichen nennt es ihn 
Jetzt mehr als je. Die ganze Stadt erschallt, 
Was er für Kostbarkeiten! was für Schätze 
Er mitgebracht. 
  AL-HAFI
Nun, ist’s der Reiche wieder: 
So wird’s auch wohl der Weise wieder sein.  
  SITTAH
Was meinst du, Hafi, wenn du diesen angingst?  
  AL-HAFI
Und was bei ihm? — Doch wohl nicht borgen? — Ja, 
Da kennt Ihr ihn! — Er borgen! — Seine Weisheit 
Ist eben, dass er niemand borgt. 
  SITTAH
Du hast 
Mir sonst doch ganz ein ander Bild von ihm 
Gemacht.  
  AL-HAFI
Zur Not wird er Euch Waren borgen. 
Geld aber, Geld? Geld nimmermehr. — Es ist 
Ein Jude freilich übrigens, wie’s nicht 
Viel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß 
Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er 
Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten, 
Vor allen andern Juden aus. — Auf den, 
Auf den nur rechnet nicht. — Den Armen gibt 
Er zwar, und gibt vielleicht trotz Saladin; 
Wenn schon nicht ganz so viel, doch ganz so gern; 
Doch ganz so sonder Ansehn, Jud’ und Christ 
Und Muselmann und Parsi, alles ist 
Ihm eins. 
  SITTAH
Und so ein Mann... 
  SALADIN
Wie kommt es denn, 
Dass ich von diesem Manne nie gehört? ... 
  SITTAH
Der sollte Saladin nicht borgen? nicht 
Dem Saladin, der nur für andre braucht, 
Nicht sich? 
  AL-HAFI
Da seht nun gleich den Juden wieder; 
Den ganz gemeinen Juden! — Glaubt mir’s doch! — 
Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig, 
So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in 
Der Welt gesagt wird, zög er lieber ganz 
Allein. Nur darum eben leiht er keinem, 
Damit er stets zu geben habe. Weil 
Die Mild’ ihm im Gesetz geboten, die 
Gefälligkeit ihm aber nicht geboten, macht 
Die Mild’ ihn zu dem ungefälligsten 
Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit 
Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß 
Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, dass ich 
Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige. 
Er ist zu allem gut, bloß dazu nicht; 
Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich 
Nur gehn, an andre Türen klopfen ... Da 
Besinn ich mich so eben eines Mohren, 
Der reich und geizig ist. — Ich geh, ich geh. 
  SITTAH
Was eilst du, Hafi?  
  SALADIN
Lass ihn! lass ihn! 
  DRITTER AUFTRITT
Sittah. Saladin. SITTAH
Eilt 
Er doch, als ob er mir nur gern entkäme! — 
Was heißt das? — Hat er wirklich sich in ihm 
Betrogen, oder — möcht er uns nur gern 
Betrügen? 
  SALADIN
Wie? das fragst du mich? Ich weiß 
Ja kaum, von wem die Rede war; und höre 
Von eurem Juden, eurem Nathan, heut 
Zum ersten Mal. 
  SITTAH
Ist’s möglich, dass ein Mann 
Dir so verborgen blieb, von dem es heißt, 
Er habe Salomons und Davids Gräber 
Erforscht, und wisse deren Siegel durch 
Ein mächtiges geheimes Wort zu lösen? 
Aus ihnen bring’ er dann von Zeit zu Zeit 
Die unermesslichen Reichtümer an 
Den Tag, die keinen mindern Quell verrieten. 
  SALADIN
Hat seinen Reichtum dieser Mann aus Gräbern, 
So waren’s sicherlich nicht Salomons, 
Nicht Davids Gräber. Narren lagen da 
Begraben! 
  SITTAH
Oder Bösewichter! — Auch 
Ist seines Reichtums Quelle weit ergiebiger, 
Weit unerschöpflicher, als so ein Grab 
Voll Mammon. 
  SALADIN
Denn er handelt, wie ich hörte. 
  SITTAH
Sein Saumtier treibt auf allen Straßen, zieht 
Durch alle Wüsten; seine Schiffe liegen 
In allen Häfen. Das hat mir wohl eh’ 
Al-Hafi selbst gesagt, und voll Entzücken 
Hinzugefügt, wie groß, wie edel dieser 
Sein Freund anwende, was so klug und emsig 
Er zu erwerben für zu klein nicht achte; 
Hinzugefügt, wie frei von Vorurteilen 
Sein Geist, sein Herz wie offen jeder Tugend, 
Wie eingestimmt mit jeder Schönheit sei. 
  SALADIN
Und jetzt sprach Hafi doch so ungewiss, 
So kalt von ihm. 
  SITTAH
Kalt nun wohl nicht; verlegen, 
Als halt’ er’s für gefährlich, ihn zu loben, 
Und woll’ ihn unverdient doch auch nicht tadeln. 
Wie? oder wär es wirklich so, dass selbst 
Der Beste seines Volkes seinem Volke 
Nicht ganz entfliehen kann? dass wirklich sich 
Al-Hafi seines Freunds von dieser Seite 
Zu schämen hätte? — Sei dem, wie ihm wolle! — 
Der Jude sei mehr oder weniger 
Als Jud’, ist er nur reich: genug für uns! 
  SALADIN
Du willst ihm aber doch das Seine mit 
Gewalt nicht nehmen, Schwester?  
  SITTAH
Ja, was heißt 
Bei dir Gewalt? Mit Feu’r und Schwert? Nein! nein! 
Was braucht es mit den Schwachen für Gewalt, 
Als ihre Schwäche? — Komm für jetzt nur mit 
In meinen Harem, eine Sängerin 
Zu hören, die ich gestern erst gekauft. 
Es reift indes bei mir vielleicht ein Anschlag, 
Den ich auf diesen Nathan habe. — Komm! 
  VIERTER AUFTRITT
Szene: vor dem Hause des Nathan, wo es an die Palmen stößt. Recha und Nathan kommen heraus. Zu ihnen Daja. RECHA
Ihr habt Euch sehr verweilt, mein Vater. Er 
Wird kaum noch mehr zu treffen sein.  
  NATHAN
Nun, nun; 
Wenn hier, hier untern Palmen schon nicht mehr: 
Doch anderwärts. — Sei jetzt nur ruhig. — Sieh! 
Kommt dort nicht Daja auf uns zu? 
  RECHA
Sie wird 
Ihn ganz gewiss verloren haben. 
  NATHAN
Auch 
Wohl nicht. 
  RECHA
Sie würde sonst geschwinder kommen. 
  NATHAN
Sie hat uns wohl noch nicht gesehn ... 
  RECHA
Nun sieht 
Sie uns.  
  NATHAN
Und doppelt ihre Schritte. Sieh! 
Sei doch nur ruhig! ruhig!  
  RECHA
Wolltet Ihr 
Wohl eine Tochter, die hier ruhig wäre? 
Sich unbekümmert ließe, wessen Wohltat 
Ihr Leben sei? Ihr Leben, — das ihr nur 
So lieb, weil sie es Euch zuerst verdanket. 
  NATHAN
Ich möchte dich nicht anders, als du bist: 
Auch wenn ich wüßte, dass in deiner Seele 
Ganz etwas anders noch sich rege. 
  RECHA
Was, 
Mein Vater?  
  NATHAN
Fragst du mich? so schüchtern mich? 
Was auch in deinem Innern vorgeht, ist 
Natur und Unschuld. Lass es keine Sorge 
Dir machen. Mir, mir macht es keine. Nur 
Versprich mir: wenn dein Herz vernehmlicher 
Sich einst erklärt, mir seiner Wünsche keinen 
Zu bergen. 
  RECHA
Schon die Möglichkeit, mein Herz 
Euch lieber zu verhüllen, macht mich zittern. 
  NATHAN
Nichts mehr hiervon! Das ein für allemal 
Ist abgetan. — Da ist ja Daja. — Nun? 
  DAJA
Noch wandelt er hier untern Palmen, und 
Wird gleich um jene Mauer kommen. — Seht, 
Da kommt er! 
  RECHA
Ah! und scheinet unentschlossen, 
Wohin? ob weiter? ob hinab? ob rechts? 
Ob links? 
  DAJA
Nein, nein; er macht den Weg ums Kloster 
Gewiss noch öfter, und dann muss er hier 
Vorbei. — Was gilt’s? 
  RECHA
Recht! recht! — Hast du ihn schon 
Gesprochen? Und wie ist er heut?  
  DAJA
Wie immer. 
  NATHAN
So macht nur, dass er Euch hier nicht gewahr 
Wird. Tretet mehr zurück. Geht lieber ganz 
Hinein. 
  RECHA
Nur einen Blick noch! — Ah! die Hecke, 
Die mir ihn stiehlt!  
  DAJA
Kommt! kommt! Der Vater hat 
Ganz recht Ihr lauft Gefahr, wenn er Euch sieht, 
Dass auf der Stell’ er umkehrt. 
  RECHA
Ah! die Hecke! 
  NATHAN
Und kommt er plötzlich dort aus ihr hervor, 
So kann er anders nicht, er muss Euch sehen. 
Drum geht doch nur! 
  DAJA
Kommt! kommt! Ich weiß ein Fenster, 
Aus dem wir sie bemerken können. 
  RECHA
Ja? 
 
Beide hinein. FÜNFTER AUFTRITT
Nathan und bald
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