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was ich geworden bin? 
  NATHAN
Trotz dem, was du geworden!  
  DERWISCH
Könnt ich nicht 
Ein Kerl im Staat geworden sein, des Freundschaft 
Euch ungelegen wäre? 
  NATHAN
Wenn dein Herz 
Noch Derwisch ist, so wag ich’s drauf. Der Kerl 
Im Staat ist nur dein Kleid. 
  DERWISCH
Das auch geehrt 
Will sein. — Was meint Ihr? ratet! — Was wär ich 
An Eurem Hofe? 
  NATHAN
Derwisch, weiter nichts. 
Doch nebenher, wahrscheinlich — Koch!  
  DERWISCH
Nun ja! 
Mein Handwerk bei Euch zu verlernen. — Koch! 
Nicht Kellner auch? — Gesteht, dass Saladin. 
Mich besser kennt. — Schatzmeister bin ich bei 
Ihm worden. 
  NATHAN
Du? — bei ihm? 
  DERWISCH
Versteht: 
Des kleinem Schatzes; denn des größern waltet 
Sein Vater noch — des Schatzes fĂĽr sein Haus. 
  NATHAN
Sein Haus ist groĂź. 
  DERWISCH
Und größer, als Ihr glaubt; 
Denn jeder Bettler ist von seinem Hause. 
  NATHAN
Doch ist den Bettlern Saladin so feind —  
  DERWISCH
Dass er mit Stumpf und Stiel sie zu vertilgen 
Sich vorgesetzt, — und sollt er selbst darĂĽber 
Zum Bettler werden. 
  NATHAN
Brav! so mein ich’s eben. 
  DERWISCH
Er ist’s auch schon, trotz einem! — Denn sein Schatz 
Ist jeden Tag mit Sonnenuntergang 
Viel leerer noch, als leer. Die Flut, so hoch 
Sie Morgens eintritt, ist des Mittags längst 
Verlaufen —  
  NATHAN
Weil Kanäle sie zum Teil 
Verschlingen, die zu fĂĽllen oder zu 
Verstopfen, gleich unmöglich ist. 
  DERWISCH
Getroffen! 
  NATHAN
Ich kenne das! 
  DERWISCH
Es taugt nun freilich nichts, 
Wenn FĂĽrsten Geier unter Ă„sern sind. 
Doch sind sie Ă„ser unter Geiern, taugt’s 
Noch zehnmal weniger. 
  NATHAN
O nicht doch, Derwisch! 
Nicht doch!  
  DERWISCH
Ihr habt gut reden, Ihr! — Kommt an: 
Was gebt Ihr mir? so tret ich meine Stell’ 
Euch ab. 
  NATHAN
Was bringt dir deine Stelle? 
  DERWISCH
Mir? 
Nicht viel. Doch Euch, Euch kann sie trefflich wuchern: 
Denn ist es Ebb’ im Schatz, — wie öfters ist, — 
So zieht Ihr Eure Schleusen auf: schieĂźt vor, 
Und nehmt an Zinsen, was Euch nur gefällt. 
  NATHAN
Auch Zins vom Zins der Zinsen?  
  DERWISCH
Freilich! 
  NATHAN
Bis 
Mein Kapital zu lauter Zinsen wird. 
  DERWISCH
Das lockt Euch nicht? So schreibet unsrer Freundschaft 
Nur gleich den Scheidebrief! Denn wahrlich hab 
Ich sehr auf Euch gerechnet. 
  NATHAN
Wahrlich? Wie 
Denn so? Wie so denn?  
  DERWISCH
Dass Ihr mir mein Amt 
Mit Ehren wĂĽrdet fĂĽhren helfen; dass 
Ich allzeit offne Kasse bei Euch hätte. — 
Ihr schĂĽttelt? 
  NATHAN
Nun, verstehn wir uns nur recht! 
Hier gibt’s zu unterscheiden. — Du? warum 
Nicht du? Al-Hafi Derwisch ist zu allem, 
Was ich vermag, mir stets willkommen. — Aber 
Al-Hafi Defterdar des Saladin, 
Der — dem — 
  DERWISCH
Erriet ich’s nicht? Dass Ihr doch immer 
So gut als klug, so klug als weise seid? — 
Geduld! Was Ihr am Hafi unterscheidet, 
Soll bald geschieden wieder sein. — Seht da 
Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab. 
Eh es verschossen ist, eh es zu Lumpen 
Geworden, wie sie einen Derwisch kleiden, 
Hängt’s in Jerusalem am Nagel, und 
Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuĂź 
Den heiĂźen Sand mit meinen Lehrern trete. 
  NATHAN
Dir ähnlich g’nug! 
  DERWISCH
Und Schach mit ihnen spiele. 
  NATHAN
Dein höchstes Gut!  
  DERWISCH
Denkt nur, was mich verfĂĽhrte! — 
Damit ich selbst nicht länger betteln dĂĽrfte? 
Den reichen Mann mit Bettlern spielen könnte? 
Vermögend wär im Hui den reichsten Bettler 
In einen armen Reichen zu verwandeln? 
  NATHAN
Das nun wohl nicht.  
  DERWISCH
Weit etwas Abgeschmackteres! 
Ich fĂĽhlte mich zum erstenmal geschmeichelt; 
Durch Saladins gutherz’gen Wahn geschmeichelt. 
  NATHAN
Der war?  
  DERWISCH
„Ein Bettler wisse nur, wie Bettlern 
Zumute sei; ein Bettler habe nur 
Gelernt, mit guter Weise Bettlern geben. 
Dein Vorfahr, sprach er, war mir viel zu kalt, 
Zu rauh. Er gab so unhold, wenn er gab; 
Erkundigte so ungestĂĽm sich erst 
Nach dem Empfänger; nie zufrieden, dass 
Er nur den Mangel kenne, wollt er auch 
Des Mangels Ursach’ wissen, um die Gabe 
Nach dieser Ursach’ filzig abzuwägen. 
Das wird Ai-Hafi nicht! So unmild mild 
Wird Saladin im Hafi nicht erscheinen! 
Ai-Hafi gleicht verstopften Röhren nicht, 
Die ihre klar und still empfangnen Wasser 
So unrein und so sprudelnd wieder geben. 
Al-Hafi denkt, Al-Hafi fĂĽhlt wie ich!” — 
So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis 
Der Gimpel in dem Netze war. — Ich Geck! 
Ich eines Gecken Geck! 
  NATHAN
Gemach, mein Derwisch, 
Gemach!  
  DERWISCH
Ei was! — Es wär nicht Geckerei, 
Bei Hunderttausenden die Menschen drĂĽcken, 
Ausmergeln, plĂĽndern, martern, wĂĽrgen; und 
Ein Menschenfreund an Einzeln scheinen wollen? 
Es wär nicht Geckerei, des Höchsten Milde, 
Die sonder Auswahl ĂĽber Bös’ und Gute 
Und Flur und WĂĽstenei, in Sonnenschein 
Und Regen sich verbreitet — nachzuäffen, 
Und nicht des Höchsten immer volle Hand 
Zu haben? Was? es wär nicht Geckerei ... 
  NATHAN
Genug! hör auf! 
  DERWISCH
Laszt meiner Geckerei 
Mich doch nur auch erwähnen! — Was? Es wäre 
Nicht Geckerei, an solchen Geckereien 
Die gute Seite dennoch auszuspĂĽren, 
Um Anteil, dieser guten Seite wegen, 
An dieser Geckerei zu nehmen? He? 
Das nicht? 
  NATHAN
Al-Hafi, mache, dass du bald 
In deine WĂĽste wieder kommst. Ich fĂĽrchte, 
Grad unter Menschen möchtest du ein Mensch 
Zu sein verlernen. 
  DERWISCH
Recht, das fĂĽrcht ich auch. 
Lebt wohl! 
  NATHAN
So hastig? — Warte doch, Al-Hafi. 
Entläuft dir denn die WĂĽste? — Warte doch! — 
Dass er mich hörte! — He, Al-Hafi! hier! — 
Weg ist er; und ich hätt ihn noch so gern 
Nach unserm Tempelherrn gefragt. Vermutlich, 
Dass er ihn kennt. 
  VIERTER AUFTRITT
Daja eilig herbei. Nathan. DAJA
O Nathan, Nathan! 
  NATHAN
Nun? 
Was gibt’s? 
  DAJA
Er lässt sich wieder sehn! Er lässt 
Sich wieder sehn! 
  NATHAN
Wer, Daja? wer? 
  DAJA
Er! er! 
  NATHAN
Er? Er? Wann lässt sich der nicht sehn! — Ja so 
Nur Euer Er heiĂźt er. — Das sollt er nicht! 
Und wenn er auch ein Engel wäre, nicht! 
  DAJA
Er wandelt untern Palmen wieder auf 
Und ab, und bricht von Zeit zu Zeit sich Datteln!  
  NATHAN
Sie essend? — und als Tempelherr?  
  DAJA
Was quält 
Ihr mich? — Ihr gierig Aug’ erriet ihn hinter 
Den dicht verschränkten Palmen schon, und folgt 
Ihm unverrĂĽckt. Sie lässt Euch bitten — Euch 
Beschwören, ungesäumt ihn anzugehn. 
O eilt! Sie wird Euch aus dem Fenster winken, 
Ob er hinaufgeht oder weiter ab 
Sich schlägt. O eilt! 
  NATHAN
So wie ich vom Kamele 
Gestiegen? — Schickt sich das? — Geh, eile du 
Ihm zu, und meld ihm meine Wiederkunft. 
Gib Acht, der Biedermann hat nur mein Haus 
In meinem Absein nicht betreten wollen; 
Und kommt nicht ungern, wenn der Vater selbst 
Ihn laden lässt. Geh, sag, ich lass ihn bitten, 
Ihn herzlich bitten ... 
  DAJA
All umsonst! Er kömmt 
Euch nicht. — Denn kurz: er kommt zu keinem Juden. 
  NATHAN
So geh, geh wenigstens ihn anzuhalten, 
Ihn wenigstens mit deinen Augen zu 
Begleiten. — Geh, ich komme gleich dir nach. 
 
Nathan eilt hinein, und Daja heraus. FĂśNFTER AUFTRITT
Szene: ein Platz mit Palmen, unter welchen der Tempelherr auf und nieder geht. Ein Klosterbruder folgt ihm in einiger Entfernung von der Seite, immer als ob er ihn anreden wolle. TEMPELHERR
Der folgt mir nicht vor langer Weile! — Sieh, 
Wie schielt er nach den Händen! — Guter Bruder, 
Ich kann Euch auch wohl Vater nennen, nicht? 
  KLOSTERBRUDER
Nur Bruder. — Laienbruder nur; zu dienen. 
  TEMPELHERR
Ja, guter Bruder, wer nur selbst was hätte! 
Bei Gott! bei Gott! ich habe nichts — 
  KLOSTERBRUDER
Und doch 
Recht warmen Dank! Gott geb’ Euch tausendfach, 
Was Ihr gern geben wolltet. Denn der Wille 
Und nicht die Gabe macht den Geber. — Auch 
Ward ich dem Herrn Almosens wegen gar 
Nicht nachgeschickt. 
  TEMPELHERR
Doch aber nachgeschickt? 
  KLOSTERBRUDER
Ja, aus dem Kloster.  
  TEMPELHERR
Wo ich eben jetzt 
Ein kleines Pilgermahl zu finden hoffte?  
  KLOSTERBRUDER
Die Tische waren schon besetzt: komm’ aber 
Der Herr nur wieder mit zurĂĽck. 
  TEMPELHERR
Wozu? 
Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen 
Allein was tut’s? Die Datteln sind ja reif. 
  KLOSTERBRUDER
Nehm’ sich der Herr in Acht mit dieser Frucht. 
Zu viel genossen taugt sie nicht; verstopft 
Die Milz, macht melancholisches GeblĂĽt. 
  TEMPELHERR
Wenn ich nun melancholisch gern mich fĂĽhlte? — 
Doch dieser Warnung wegen wurdet Ihr 
Mir doch nicht nachgeschickt?  
  KLOSTERBRUDER
O nein! — Ich soll 
Mich nur nach Euch erkunden, auf den Zahn 
Euch fĂĽhlen. 
  TEMPELHERR
Und das sagt Ihr mir so selbst? 
  KLOSTERBRUDER
Warum nicht?  
  TEMPELHERR
(Ein verschmitzter Bruder!) — Hat 
Das Kloster Euresgleichen mehr? 
  KLOSTERBRUDER
Weiss nicht. 
Ich muss gehorchen, lieber Herr. 
  TEMPELHERR
Und da 
Gehorcht Ihr denn auch, ohne viel zu klĂĽgeln? 
  KLOSTERBRUDER
Wär’s sonst gehorchen, lieber Herr?  
  TEMPELHERR
(Dass doch 
Die Einfalt immer Recht behält!) — Ihr dĂĽrft 
Mir doch auch wohl vertrauen, wer mich gern 
Genauer kennen möchte? — Dass Ihr’s selbst 
Nicht seid, will ich wohl schwören. 
  KLOSTERBRUDER
Ziemte mir’s? 
Und frommte mir’s? 
  TEMPELHERR
Wem ziemt und frommt es denn, 
Dass er so neubegierig ist? Wem denn? 
  KLOSTERBRUDER
Dem Patriarchen; muss ich glauben. — Denn 
Der sandte mich Euch nach. 
  Tempelherr
Der Patriarch? 
Kennt der das rote Kreuz auf weiĂźem Mantel 
Nicht besser? 
  KLOSTERBRUDER
Kenn ja ich’s! 
  TEMPELHERR
Nun, Bruder? Nun: — 
Ich bin ein Tempelherr; und ein gefangner — 
Setz ich hinzu: gefangen bei Tebnin, 
Der Burg, die mit des Stillstands letzter, Stunde 
Wir gern erstiegen hätten, um sodann 
Auf Sidon loszugehn; — setz ich hinzu: 
Selbzwanzigster gefangen und allein 
Vom Saladin begnadiget: so weiĂź 
Der Patriarch, was er zu wissen braucht — 
Mehr, als er braucht. 
  KLOSTERBRUDER
Wohl aber schwcrlich mehr, 
Als er schon weiĂź. — Er wĂĽsst auch gern, warum 
Der Herr vom Saladin begnadigt worden; 
Er ganz allein. 
  TEMPELHERR
WeiĂź ich das selber? — Schon 
Den Hals entblößt, kniet ich auf meinem Mantel; 
Den Streich erwartend, als mich schärfer Saladin 
Ins Auge faĂźt, mir näher springt, und winkt. 
Man hebt mich auf; ich bin entfesselt; will 
Ihm danken; seh sein Aug’ in Tränen; stumm 
Ist er, bin ich; er geht, ich bleibe. — Wie 
Nun das zusammenhängt, enträtsle sich 
Der
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