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Eure Recha zu umarmen? 
Die arme Recha, die indes verbrannte! — 
Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert nicht! 
Es ist ein garst’ger Tod, verbrennen. 
  NATHAN
Mein Kind! Mein liebes Kind!  
  RECHA
Ihr musstet ĂĽber 
Den Euphrat, Tigris, Jordan; ĂĽber — wer 
WeiĂź was fĂĽr Wasser all? — Wie oft hab ich 
Um Euch gezittert, eh das Feuer mir 
So nahe kam! Denn seit das Feuer mir 
So nahe kam: dĂĽnkt mich im Wasser sterben 
Erquickung, Labsal, Rettung. — Doch Ihr seid 
Ja nicht ertrunken: ich, ich bin ja nicht 
Verbrannt. Wie wollen wir uns freun, und Gott, 
Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen 
Auf FlĂĽgeln seiner unsichtbaren Engel 
Die ungetreuen Ström’ hinĂĽber. Er, 
Er winkte meinem Engel, dass er sichtbar 
Auf seinem weiĂźen Fittiche mich durch 
Das Feuer trĂĽge — 
  NATHAN
beiseite
WeiĂźem Fittiche! 
Ja, ja! der weiĂźe vorgespreizte Mantel 
Des Tempelherrn. 
  RECHA
Er sichtbar, sichtbar mich 
Durchs Feuer trĂĽg, von seinem Fittiche 
Verweht. — Ich also, ich hab einen Engel 
Von Angesicht zu Angesicht gesehn; 
Und meinen Engel. 
  NATHAN
Recha wär es wert; 
Und wĂĽrd an ihm nichts Schönres sehn, als er 
An ihr. 
  RECHA
lächelnd
Wem schmeichelt Ihr, mein Vater? Wem? 
Dem Engel, oder Euch? 
  NATHAN
Doch hätt auch nur 
Ein Mensch — ein Mensch, wie die Natur sie täglich 
Gewährt — dir diesen Dienst erzeigt, er mĂĽsste 
FĂĽr dich ein Engel sein. Er mĂĽsst und wĂĽrde. 
  RECHA
Nicht so ein Engel, nein! ein wirklicher; 
Es war gewiss ein wirklicher! — Habt Ihr, 
Ihr selbst die Möglichkeit, dass Engel sind, 
Dass Gott zum Besten derer, die ihn lieben, 
Auch Wunder könne tun, mich nicht gelehrt? 
Ich lieb ihn ja. 
  NATHAN
Und er liebt dich; und tut 
FĂĽr dich und deinesgleichen, stĂĽndlich Wunder; 
Ja, hat sie schon von aller Ewigkeit 
FĂĽr euch getan. 
  RECHA
Das hör ich gern. 
  NATHAN
Wie? Weil 
Es ganz natĂĽrlich, ganz alltäglich klänge, 
Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr 
Gerettet hätte: sollt es darum weniger 
Ein Wunder sein? — Der Wunder höchstes ist, 
Dass uns die wahren, echten Wunder so 
Alltäglich werden können, werden sollen. 
Ohn dieses allgemeine Wunder hätte 
Ein Denkender wohl schwerlich Wunder je 
Genannt, was Kindern bloĂź so heiĂźen mĂĽsste, 
Die gaffend nur das Ungewöhnlichste, 
Das Neuste nur verfolgen. 
  DAJA
zu Nathan
Wollt Ihr denn 
Ihr ohnedem schon ĂĽberspanntes Hirn 
Durch solcherlei Subtilitäten ganz 
Zersprengen? 
  NATHAN
Lass mich! — Meiner Recha wär 
Es Wunders nicht genug, dass sie ein Mensch 
Gerettet, welchen selbst kein kleines Wunder 
Erst retten mĂĽssen? Ja, kein kleines Wunder! 
Denn wer hat schon gehört, dass Saladin 
Je eines Tempelherrn verschont? dass je 
Ein Tempelherr von ihm verschont zu werden 
Verlangt? gehofft? ihm je fĂĽr seine Freiheit 
Mehr als den ledern Gurt geboten, der 
Sein Eisen schleppt, und höchstens seinen Dolch? 
  RECHA
Das schlieĂźt fĂĽr mich, mein Vater — Darum eben 
War das kein Tempelherr; er schien es nur. — 
Kommt kein gefangner Tempelherr je anders 
Als zum gewissen Tode nach Jerusalem; 
Geht keiner in Jerusalem so frei 
Umher: wie hätte mich des Nachts freiwillig 
Denn einer retten können? 
  NATHAN
Sieh! wie sinnreich. 
Jetzt, Daja, nimm das Wort. Ich hab es ja 
Von dir, dass er gefangen hergeschickt 
Ist worden. Ohne Zweifel weiĂźt du mehr. 
  DAJA
Nun ja. — So sagt man freilich; — doch man sagt 
Zugleich, dass Saladin den Tempelherrn 
Begnadigt, weil er seiner BrĂĽder einem, 
Den er besonders lieb gehabt, so ähnlich sehe. 
Doch da es viele zwanzig Jahre her, 
Dass dieser Bruder nicht mehr lebt — er hieĂź, 
Ich weiĂź nicht wie — er blieb, ich weiĂź nicht wo: — 
So klingt das ja so gar — so gar unglaublich, 
Dass an der ganzen Sache wohl nichts ist. 
  NATHAN
Ei, Daja! Warum wäre denn das so 
Unglaublich? Doch wohl nicht — wie’s wohl geschieht — 
Um lieber etwas noch Unglaublichers 
Zu glauben? — Warum hätte Saladin, 
Der sein Geschwister insgesamt so liebt, 
In jĂĽngern Jahren einen Bruder nicht 
Noch ganz besonders lieben können? — Pflegen 
Sich zwei Gesichter nicht zu ähneln? — Ist 
Ein alter Eindruck ein verlorner? — Wirkt 
Das Nämliche nicht mehr das Nämliche? — 
Seit wann? — Wo steckt hier das Unglaubliche? — 
Ei freilich, weise Daja, wär’s fĂĽr dich 
Kein Wunder mehr; und deine Wunder nur 
BedĂĽrf ... verdienen, will ich sagen, Glauben. 
  DAJA
Ihr spottet.  
  NATHAN
Weil du meiner spottest. — Doch 
Auch so noch, Recha, bleibet deine Rettung 
Ein Wunder, dem nur möglich, der die strengsten 
EntschlĂĽsse, die unbändigsten EntwĂĽrfe 
Der Könige, sein Spiel — wenn nicht sein Spott — 
Gern an den schwächsten Fäden lenkt. 
  RECHA
Mein Vater! 
Mein Vater, wenn ich irr, Ihr wisst, ich irre 
Nicht gern. 
  NATHAN
Vielmehr, du lässt dich gern belehren. — 
Sieh! eine Stirn, so oder so gewölbt; 
Der RĂĽcken einer Nase, so vielmehr 
Als so gefĂĽhret; Augenbraunen, die 
Auf einem scharfen oder stumpfen Knochen 
So oder so sich schlängeln; eine Linie, 
Ein Bug, ein Winkel, eine Falt’, ein Mal, 
Ein Nichts, auf eines wilden Europäers 
Gesicht: — und du entkommst dem Feu’r in Asien! 
Das wär kein Wunder, wundersĂĽcht’ges Volk? 
Warum bemĂĽht ihr denn noch einen Engel? 
  DAJA
Was schadet’s — Nathan, wenn ich sprechen darf — 
Bei alledem, von einem Engel lieber 
Als einem Menschen sich gerettet denken? 
FĂĽhlt man der ersten unbegreiflichen 
Ursache seiner Rettung nicht sich so 
Viel näher? 
  NATHAN
Stolz! und nichts als Stolz! Der Topf 
Von Eisen will mit einer silbern Zange 
Gern aus der Glut gehoben sein, um selbst 
Ein Topf von Silber sich zu dĂĽnken. — Pah! — 
Und was es schadet, fragst du? Was es schadet? 
Was hilft es? dĂĽrft ich nur hinwieder fragen. — 
Denn dein „Sich Gott um so viel näher fĂĽhlen” 
Ist Unsinn oder Gotteslästerung. — 
Allein es schadet; ja, es schadet allerdings. — 
Kommt! hört mir zu. — Nicht wahr? dem Wesen, das 
Dich rettete — es sei ein Engel oder 
Ein Mensch — dem möchtet ihr, und du besonders, 
Gern wieder viele groĂźe Dienste tun? 
Nicht wahr? — Nun, einem Engel, was fĂĽr Dienste, 
FĂĽr groĂźe Dienste könnt ihr dem wohl tun? 
Ihr könnt ihm danken; zu ihm seufzen, beten; 
Könnt in EntzĂĽckung ĂĽber ihn zerschmelzen; 
Könnt an dem Tage seiner Feier fasten, 
Almosen spenden — Alles nichts. — Denn mich 
Däucht immer, dass ihr selbst und euer Nächster 
Hierbei weit mehr gewinnt, als er. Er wird 
Nicht fett durch euer Fasten; wird nicht reich 
Durch eure Spenden; wird nicht herrlicher 
Durch eu’r EntzĂĽcken; wird nicht mächtiger 
Durch eu’r Vertraun. Nicht wahr? Allein ein Mensch! 
  DAJA
Ei freilich hätt ein Mensch, etwas fĂĽr ihn 
Zu tun, uns mehr Gelegenheit verschafft. 
Und Gott weiĂź, wie bereit wir dazu waren! 
Allein er wollte ja, bedurfte ja 
So völlig nichts; war in sich, mit sich so 
VergnĂĽgsam, als nur Engel sind, nur Engel 
Sein können. 
  RECHA
Endlich, als er gar verschwand... 
  NATHAN
Verschwand? — Wie denn verschwand? — Sich untern Palmen 
Nicht ferner sehen lieĂź? — Wie? oder habt 
Ihr wirklich schon ihn weiter aufgesucht? 
  DAJA
Das nun wohl nicht.  
  NATHAN
Nicht, Daja? nicht? — Da sieh 
Nun, was es schad’t! — Grausame Schwärmerinnen! — 
Wenn dieser Engel nun — nun krank geworden! 
  RECHA
Krank!  
  DAJA
Krank? Er wird doch nicht! 
  RECHA
Welch kalter Schauer 
Befällt mich! — Daja! — Meine Stirne, sonst 
So warm, fĂĽhl! ist auf einmal Eis. 
  NATHAN
Er ist 
Ein Franke, dieses Klimas ungewohnt! 
Ist jung; der harten Arbeit seines Standes, 
Des Hungerns, Wachens ungewohnt. 
  RECHA
Krank! krank! 
  DAJA
Das wäre möglich, meint ja Nathan nur. 
  NATHAN
Nun liegt er da! hat weder Freund, noch Geld, 
Sich Freunde zu besolden.  
  RECHA
Ah, mein Vater! 
  NATHAN
Liegt ohne Wartung, ohne Rat und Zusprach, 
Ein Raub der Schmerzen und des Todes da! 
  RECHA
Wo? Wo?  
  NATHAN
Er, der fĂĽr eine, die er nie 
Gekannt, gesehn — genug, es war ein Mensch — 
Ins Feu’r sich stĂĽrzte ... 
  DAJA
Nathan, schonet ihrer! 
  NATHAN
Der, was er rettete, nicht näher kennen, 
Nicht weiter sehen mocht, um ihm den Dank 
Zu sparen ... 
  DAJA
Schonet ihrer, Nathan! 
  NATHAN
Weiter 
Auch nicht zu sehn verlangt, es wäre denn, 
Dass er zum zweiten Mal es retten sollte — 
Denn g’nug, es ist ein Mensch ... 
  DAJA
Hört auf, und seht! 
  NATHAN
Der, der hat sterbend sich zu laben, nichts — 
Als das Bewusstsein dieser Tat! 
  DAJA
Hört auf! 
Ihr tötet sie! 
  NATHAN
Und du hast ihn getötet! — 
Hättest so ihn töten können. — Recha! Recha! 
Es ist Arznei, nicht Gift, was ich dir reiche. 
Er lebt! — komm zu dir! — ist auch wohl nicht krank; 
Nicht einmal krank! 
  RECHA
Gewiss? — nicht tot? nicht krank? 
  NATHAN
Gewiss, nicht tot! Denn Gott lohnt Gutes, hier 
Getan, auch hier noch. — Geh! — Begreifst du aber, 
Wie viel andächtig schwärmen leichter, als 
Gut handeln ist? Wie gern der schlaffste Mensch 
Andächtig schwärmt, um nur, — ist er zu Zeiten 
Sich schön der Absicht deutlich nicht bewusst — 
Um nur gut handeln nicht zu dĂĽrfen? 
  RECHA
Ah, 
Mein Vater! lasst, lasst Eure Recha, doch 
Nie wiederum allein! — Nicht wahr, er kann 
Auch wohl verreist nur sein? — 
  NATHAN
Geht! — Allerdings. — 
Ich seh, dort mustert mit neugier’gem Blick 
Ein Muselmann mir die beladenen 
Kamele. Kennt ihr ihn? 
  DAJA
Ha! Euer Derwisch. 
  NATHAN
Wer?  
  DAJA
Euer Derwisch; Euer Schachgesell! 
  NATHAN
Al-Hafi? das Al-Hafi?  
  DAJA
Jetzt des Sultans 
Schatzmeister.  
  NATHAN
Wie? Al-Hafi? Träumst du wieder? — 
Er ist’s! — wahrhaftig ist’s! — kommt auf uns zu. 
Hinein mit Euch, geschwind! — Was werd’ ich hören! 
  DRITTER AUFTRITT
Nathan und der Derwisch. DERWISCH
ReiĂźt nur die Augen auf, so weit Ihr könnt! 
  NATHAN
Bist du’s? Bist du es nicht? — In dieser Pracht, 
Ein Derwisch! ...  
  DERWISCH
Nun! Warum denn nicht! Lässt sich 
Aus einem Derwisch denn nichts, gar nichts machen? 
  NATHAN
Ei wohl, genug! — Ich dachte mir nur immer, 
Der Derwisch — so der rechte Derwisch — woll’ 
Aus sich nichts machen lassen. 
  DERWISCH
Beim Propheten! 
Dass ich kein rechter bin, mag auch wohl wahr sein. 
Zwar wenn man muss — 
  NATHAN
Muss! Derwisch! — Derwisch muss? 
Kein Mensch muss mĂĽssen, und ein Derwisch mĂĽsste? 
Was mĂĽsst er denn? 
  DERWISCH
Warum man ihn recht bittet, 
Und er fĂĽr gut erkennt: das muss ein Derwisch. 
  NATHAN
Bei unserm Gott! da sagst du wahr. — Lass dich 
Umarmen, Mensch. — Du bist doch noch mein Freund? 
  DERWISCH
Und fragt nicht erst,
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