Die schwarze Jakobe - Paul Heyse (internetowa czytelnia książek TXT) 📖
- Autor: Paul Heyse
- Epoka: Modernizm
- Rodzaj: Epika
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Von dem Hannickel war nie mehr zwischen uns die Rede. Da sie sich immer in der gleichmütigsten Laune zeigte, nur ihre Stirn finster zusammenzog, wenn sie von „der Frau” wieder etwas Unholdes zu berichten hatte, übrigens aber ihr altes Lachen so übermütig wie je erschallen ließ, war mir aller Argwohn vergangen. Als wir uns endlich trennen mussten, gelobten wir uns aufs Neue ewige Lieb’ und Treue. Sie freilich sah mich plötzlich scheu und düster an. Du wirst mich doch nicht immer gern haben, du wirst’s nicht können! — Warum nicht? — Weil du die Goldene bist und ich — wer weiß, wie viel schwärzer ich noch werde! — Ich drang in sie, mir zu sagen, was sie von sich selber fürchte. Da lachte sie wieder und sagte, indem ihre hellen Augen blitzten: Wenn ich auch weiß bliebe wie Schnee, die Leute würden schon dafür sorgen, mich bei dir anzuschwärzen. Aber glaube nur, für dich bin ich immer dieselbe.
Sie fiel mir dabei um den Hals und küßte mich so heftig, dass ich fast zu ersticken glaubte. Dann war sie auf und davon, ehe ich noch ein letztes Wort hervorbringen konnte.
Wieder erlebte ich’s, dass ich in der Stadt die Trennung von ihr nur schwer ertrug. Zu Weihnachten schickte ich ihr allerlei hübsche Sachen, die sie gut brauchen und mit denen sie ein bisschen Staat machen konnte. Ich hatte meine Mutter soweit eingeweiht, dass sie diese Christbescherung an ein armes Bauernmädchen, das zu Hause hart gehalten wurde, ganz in der Ordnung fand. Der Dank ließ lange auf sich warten und fiel gar nicht so aus, wie ich erwartet hatte. Ich würde es noch bereuen, schrieb sie, so viel an sie gewendet zu haben. Ich solle ihr nie wieder etwas schenken, sie brauche nichts, schöne Kleider könnten ihr nicht helfen; je schöner sie seien, desto schwerer sei ihr Herz. Nur dass ich immer gut von meiner Schwarzen denken möchte, wie es auch komme, darum bat sie immer wieder. Ein Brief, der mir nicht ganz geheuer schien.
Ich beantwortete ihn durch eine lange, sehr warme, aber sehr weise Epistel, die ich mit meiner überlegenen Weltkenntnis ihr schuldig zu sein glaubte. Ich bat sie, mir ja alles anzuvertrauen, was ihr irgend das Heiz beschwere, und versprach das tiefste Stillschweigen.
Auf diesen Brief kam keine Antwort. Ich wusste, wie mühsam sie die Feder handhabte, dennoch blieb mir ihr Schweigen unheimlich.
Nun können Sie denken, wie froh ich war, als der Arzt, da ich im Winter ein wenig viel getanzt und eine bleichsüchtige Miene hatte, meinen Eltern riet, mich früher als sonst aufs Land zu bringen. Mein Vater konnte nicht sogleich seine Geschäfte im Stich lassen; die Mutter aber war bereit, und so wurde nur die erste Baumblüte abgewartet, bis wir in den Wagen stiegen und die Fahrt nach Liebenwalde antraten.
Sie dauerte nicht viel über eine Stunde, aber ich meinte, der Weg nähme kein Ende, so wunderlich bange und ahnungsvoll war mir zumute. Als wir ankamen und nur von einigen Dorfkindern und alten Weibern empfangen wurden, bekam ich einen heftigen Schreck. Ich brauchte auch nicht lange zu warten, bis meine Ahnung bestätigt wurde. Denn gleich in den ersten zehn Minuten, während die Hausverwalterin der Mutter beim Auspacken half, erzählte sie ihr unter anderen Neuigkeiten, dass die schwarze Jakobe vor acht Tagen mit dem Hannickel davongegangen und alle Nachforschungen bisher erfolglos geblieben seien.
Sie selbst habe es freilich schon seit Weihnachten kommen sehen, auch die Gärtnersfrau gewarnt. Denn die heimliche Liebschaft habe die Tochter noch lässiger und trotziger gemacht, als sie ohnehin schon war, und alles Schelten und Schimpfen der Mutter habe sie so gleichgültig abgeschüttelt wie den ersten Schnee, wenn man eine warme Jacke am Leibe hat. Das aber habe nun gerade das böse Weib so in Wut gebracht, dass sie sich eines Abends, als die Tochter mitten unter ihrem Toben und Keifen ruhig zu Bette gehen wollte, soweit vergessen habe, ihr mit der Faust einen Schlag ins Gesicht zu geben, dass ihr das Blut aus der Nase gespritzt und das eine Auge dick angeschwollen. sei. Die Jakobe habe nichts gesagt als — Das verzeih’ dir Gott, Mutter! — Dann sei sie an den Brunnen hinausgegangen, sich das Gesicht zu waschen, und hernach in den Ziegenstall, wo sie sich eingeriegelt habe. Auch aus alles Klopfen und Bitten des Vaters, dessen Herzblatt sie gewesen, habe sie mit keinem Mucks geantwortet, dass der gute Mann endlich betrübt zu Bett gegangen sei.
Am anderen Morgen war der Ziegenstall leer und die Kammer im Ort, wo der Hannickel seinen Unterstand hatte, auch; und seitdem war von beiden nichts mehr gehört noch gesehen worden.
*
Sie können denken, lieber Freund, wie diese Nachricht auf mich wirkte. Ich war so erschüttert, dass ich es vor der Mutter nicht verhehlen konnte, sondern mich mit Tränen in ihre Arme warf. Nach und nach sagte ich ihr einen Teil der Wahrheit, wie sehr mich dies arme verlorene Mädchen seit unserer ersten Bekanntschaft beschäftigt, wie ich keinen herzlicheren Wunsch gehegt hatte, als sie glücklich werden zu sehen. Und nun — welche Aussicht in ein Leben voll Elend — Kummer — Reue und Verzweiflung!
Dann wieder sagte ich mir, dass meine Schwarze viel zu fest auf ihren Füßen stand, um selbst durch eine solche Verirrung ganz um sich selbst gebracht zu werden. Ich erkannte, dass ich vielmehr für mich als für sie betrübt und unglücklich war. Die einzige Person, von der ich mich wahrhaft geliebt wusste, um meiner selbst willen, nicht aus irgendeiner Pflicht, wie ich es selbst von meinen guten Eltern glaubte, — die hatte ich nun verloren. dass ich sie hier vermisste, wo ich mich auf einen langen Sommer mit ihr gefreut hatte, war nicht einmal das Bitterste. Dass sie mich nicht vermissen würde, dass sie mit ihrem Geliebten fröhlich und guter Dinge durch die Welt streifen und mich bald völlig vergessen haben würde, das machte mir einen heftigen eifersüchtigen Schmerz, so dass ich die erste Nacht wirklich keine Stunde Schlaf finden konnte. Auch sah ich am anderen Morgen zum Erschrecken bleich und fieberhaft aus, und als es nach der ersten Woche nicht viel anders mit mir geworden war, fand die Mutter, dass die Luft in Liebenwalde zu dieser Jahreszeit, wo Bruch und Wiese noch feuchte Dünste aushauchten, für ihr blutarmes Kind nicht heilsam sei, und dass wir besser tun würden, auf unser Gut in Schlesien zu reisen, welches dicht am Gebirge lag und überdies in der Nähe eines kleinen Badeortes, dessen Eisenquelle mir gewiss heilsam sein würde.
Mich heilte aber sobald nichts von meiner Schwermut. Nur in meiner Musik fand ich das, was man Trost nennt, da ja der wirksamste Trost darin besteht, uns in unserem Kummer zu bestärken, indem man ihm sein Recht einräumt, und uns solange mit ihm zu nähren, bis wir selbst anfangen, uns seiner zu ersättigen. Der Vater holte uns dann ab, wir machten eine schöne Reise durch die Schweiz zusammen. Als wir im Herbst nach Hause kamen, fing die Bewerbung meines künftigen Gatten um mich an, und es dauerte nur wenige Monate, so war ich verlobt, und dann noch wenige Wochen, bis ich eine junge Frau war.
Ich habe Ihnen früher einmal gestanden, dass ich, so eifrig ich sonst darauf bedacht war, ein eigenes Leben zu leben und alles Hergebrachte darauf anzusehen, ob es meinen innersten Bedürfnissen entsprach, dennoch ohne wahre Liebe und fast mit innerem Widerstreben in diese Heirat willigte. Jetzt können Sie mir nachfühlen, wie mir damals zumute war. Eine ähnliche leidenschaftliche Empfindung, wie ich sie für dieses Mädchen noch immer in mir trug, glaubte ich nie einem Manne gegenüber fühlen zu können. Noch weniger traute ich mir zu, je an einem Manne eine solche Eroberung zu machen wie an meiner geliebten Schwarzen. In dieser entsagenden Kühle und Trauer fand mich mein Bewerber, und, wie gesagt, es überraschte mich und erwärmte mich fast, dass er mich so vielen weit Ansehnlicheren und Liebenswürdigeren vorzog. Da mein Gefühl für ihn überdies jenes andere, das mich noch ganz beherrschte, in keiner Weise beeinträchtigte, ließ ich mir’s gefallen als eine Art Zerstreuung, das Leben einer verheirateten Frau kennenzulernen, so wenig mein Herz dabei zu seinem Rechte kam.
Im zweiten Jahre unserer Ehe wurde mir ein Kind beschert. Da zuerst wurde das Verhältnis zu meinem Gatten ein innerlicheres. Ich sollte nicht erleben, dass es vielleicht noch ein beglückendes geworden wäre. Sie wissen, wie bald ich mit meiner kleinen Tochter allein blieb.
Nun hatte ich etwas, wofür ich lebte; nun trat auch die fast krankhafte Entbehrung meiner verlorenen Freundin mehr und mehr zurück, und es vergingen Wochen, ohne dass ihr Bild vor mir auftauchte. Mein kleines Mädchen war zwei und ein halbes Jahr alt geworden; es war meine ganze Freude, zumal ich auch die Eltern rasch nach einander verloren hatte. Manchmal kam es mir vor, als würde mein Herz immer unempfindlicher, als setze es wie ein Baum einen harten Jahresring um den anderen an, dass nur im innersten Mark noch der Lebenssaft auf– und niederströmte, die Außenwelt aber kaum noch einen Eindruck darauf hervorbrachte. Und doch war es noch das alte Herz.
Ich fuhr eines Nachmittags mit der Kleinen spazieren und passierte beim Rückweg eine Vorstadt, wo der ärmste Teil der Bevölkerung wohnte. Ich hatte den Wagen zurückschlagen lassen, und das Kind sah neugierig umher und ergötzte mich mit seinen drolligen Fragen. Auf einmal erblickte ich unter den Leuten, die an den Häusern entlanggingen, eine Frauengestalt, deren Gang und Haltung mich so lebhaft an die Jugendfreundin erinnerte, dass ich unwillkürlich ihren Namen rief und eine Bewegung machte, den Kutscher halten zu lassen. In demselben Augenblick — sie konnte meinen Ausruf nicht gehört haben — drehte die Person den Kopf zu mir hin, nur auf einen einzigen Blick, wandte ihn dann rasch wieder zur Seite und lief so schnell davon, dass an ein Aufhalten nicht zu denken war.
Ich hatte mich nicht getäuscht — sie war es wirklich gewesen. Damals freilich blieben all meine Bemühungen, ihre Spuren wieder aufzufinden, fruchtlos. Als wir uns aber später wiedersahen, gestand sie mir, es sei nicht das erste Mal gewesen, dass sie mir begegnet. Sie habe oft meinen Ausgang abgewartet und sei mir ein paar Straßen weit gefolgt. Mich anzureden oder gar mich zu besuchen, habe sie sich nie ein Herz fassen können, obwohl sie im Grunde nicht habe glauben können, dass ich schlecht von ihr dächte wie alle anderen.
Das war im Spätherbst gewesen. Ich war durch diese flüchtige Erscheinung sehr aufgeregt. Soviel ich hatte sehen können, schien sie sich nicht dürftig zu tragen, sondern wie ein Dienstbote in einem guten Hause, nur mit bloßem Kopf, ein kleines Tuch über die schwarzen Flechten geschlungen. Es beruhigte mich ein wenig, dass ich sie nicht in Not denken musste. Aber meine Sehnsucht, einmal wieder ihre Stimme zu hören, war nicht dadurch beschwichtigt.
Dazu sollte es nun auch kommen auf die seltsamste Weise.
Wenige Tage vor Weihnachten wurde mir ein Brief gebracht, mit Bleistift geschrieben, in einem groben Kuvert. Ich erkannte auf den ersten Blick die steifen, aufrechten Buchstaben meiner Schwarzen und öffnete das Papier mit zitternden Händen. Es enthielt nur wenige Zeilen: die Bitte, nach ihrem kranken Kinde zu sehen, das sie einer armen Frau in Pflege gegeben und in den nächsten fünf Tagen nicht selbst besuchen könne, da ihr das Ausgehen unmöglich sei. Sie wisse bestimmt, ich werde ihr’s nicht abschlagen. Was auch inzwischen vorgefallen, sie vertraue fest auf ihre treue und gute „Goldene”. Später werde sie selber kommen, mir zu danken. Die Frau wohne da und da.
Ich fuhr sofort nach dem bezeichneten Hause, das in jener Vorstadt lag, wo ich vor acht Wochen die Jakobe an mir vorüberschreiten gesehen. Ich fand ohne Mühe die Wohnung, im vierten Stock eines armseligen Hauses, und die ältliche Frau, die mir öffnete, machte mir gleich einen günstigen Eindruck, dass ich begriff, wie man ihr im Notfall ein Kind anvertrauen konnte. Ehe ich mich noch weiter erklärt hatte, war ich an das Bettchen getreten, wo die kranke Kleine in einem unruhigen Fieberschlaf lag. Es tat mir weh, dass sie nicht die Züge ihrer Mutter trug, sondern dem Hannickel ähnlich sah,
Uwagi (0)