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sagte ihm, daß er kommen und gehen könne, wann er wolle. Essen würde er in seinem Zimmer. Das Mittagessen könne man ihm zurücklassen und aufwärmen. Sie hob noch für einen Augenblick das Lorgnon. Ihre Augen besiegelten und beschlossen also, was sie verfügt hatte. Und von nun an sah sie Theodor nur, wenn er ihr zufällig in den Weg kam.

Erst Wochen später, ein paar Tage vor Pauls Trauung, die in Berlin stattfinden sollte, richtete Theodor wieder ein Wort an seine Mutter. Er fragte sie, wann sie fahren wolle. Sie antwortete: „Ich fahre nicht. Eine arme Mutter nimmt sich nicht gut aus.”

„Aber ich werde hinfahren”, meinte Theodor.

„Ich dachte, du liebst deinen Bruder nicht?”

„Aber es ist für mich eine Gelegenheit, Beziehungen anzuknüpfen.”

Frau Bernheim dachte einige Sekunden nach. Dann sagte sie mit einer unerwartet scharfen Stimme, mit jener, die sie im Verkehr mit dem Hausmeister zu verwenden pflegte: „Ich werde Paul schreiben. Er wird dir Geld schicken, du wirst nach Berlin fahren und dort bleiben. Ich kann dich nicht mehr erhalten. Du brauchst wirklich Beziehungen. Es ist Zeit, daß du dir dein Brot verdienst. Pack deine Koffer!”

Zum erstenmal hatte Theodor Respekt vor seiner Mutter. Sie stand vor ihm, fahl, alt, größer als er, die Linke an der Hüfte, die Rechte noch ausgestreckt in der Luft und immer noch in den Korridor weisend, wo die Koffer Theodors waren. Die Hand schien so den Befehl verewigen zu wollen. Sie verwies ihrem Sohn das Haus. Es war kein Zweifel.

Theodor fuhr nach Berlin. Er ging in Pauls Hotel und ließ sich anmelden. Paul bat ihn, in der Halle zu warten. Theodor betrachtete sich als beleidigt und wollte wieder weggehn. Gut, sagte er sich, ganz gut. Ich werde hungern, obdachlos sein, verkommen. Meinetwegen! Aber er hatte nicht die Kraft, die Halle zu verlassen. Es war ein reiches Hotel. Dieser Kerl, dachte er, läßt mich nicht zu sich, damit ich nicht sehe, daß er eine Flucht von Zimmern bewohnt. Nun gut! Jedes „Nun gut”, das er vor sich hinflüsterte, bereitete ihm einen Trost, als hätte es irgendeinen Sinn, als drückte es irgendeine Gegenmaßnahme aus.

Endlich kam Paul. „Tadellos elegant”, sagte Theodor statt eines Grußes. Sie reichten einander die Fingerspitzen. Dann setzten sie sich schweigsam. „Was trinkst du?” fragte Paul aus Verlegenheit. „Jedenfalls keinen Lindenblütentee!” „Whisky?” „Meinetwegen!”

„Höre, Theodor”, begann Paul. „Du darfst mich, wenn du Lust hat, sobald wir von unserer Hochzeitsreise zurück sind, einmal im Monat besuchen. Du wirst dir einen bestimmten Tag wählen. Im übrigen ist hier die Adresse meines Rechtsanwalts. Du beziehst ein halbes Jahr fünfhundert Mark im Monat. Von morgen in sechs Wochen mußt du eine Arbeit gefunden haben. Hier ist die Adresse meines Schneiders. Du kannst dir drei Anzüge machen lassen. Zu meiner Trauung kannst du kommen. Sie wird hier stattfinden, nicht in der Kirche.”

Dann trat eine lange Pause ein. Sie schlürften beide Whisky-Soda.

Dann erhob sich Theodor, reichte seinem Bruder ein lockeres Bündel Finger und ging.

Er ging sofort zum Rechtsanwalt.

„Ihr Bruder läßt Sie bitten”, sagte man ihm, „Herrn Brandeis übermorgen früh zu besuchen. Herr Brandeis erwartet Sie.” Man zahlte ihm fünfhundert Mark.

Am nächsten Tag war Pauls Trauung. Sie vollzog sich schnell, lautlos und geölt. Theodor hatte kaum Zeit gehabt, Pauls Frau zu sehn. Er sah Brandeis unter den fünf männlichen Gästen.

„Dieser Kerl kauft jetzt ganz Deutschland auf.”

In der Halle sah Theodor, wie Brandeis sich sofort von der Gruppe der andern Gäste löste, davonging mit einem leichten Schritt, den man seiner großen und wuchtigen Gestalt nicht zugetraut hätte.

„Ich möchte nicht mit ihm heimisch werden”, sagte einer von den Gästen in Theodors Nähe zum andern.

„Ja, eben ein Inflationsgewinner”, erwiderte der Angesprochene.

Den einen kannte Theodor, es war Herr Enders. Der andere sah dem Herrn Enders wie ein Bruder ähnlich. Beide bestanden aus einer glatten, runden und harten Substanz und erinnerten an hölzerne, blankgehobelte und etwas mühelos angepinselte Kugeln. Sie sprachen so laut, daß man sie in der ganzen Halle hören konnte.

„Diese Leute”, sagte Herr Enders und blieb an einer Säule stehen, als müßte er sich einen Stützpunkt für einen längeren und ermüdenden Vortrag vorbereiten, „die Leute sind von unsereinem ebenso verschieden wie Seeräuber von ordentlichen Seeleuten. Das sind Piraten!”

„Vollkommen recht, Herr Enders. Während unsere Väter ihr Vermögen mit ehrlichem Schweiß erwarben, kamen diese Leute gewissenlos und durch günstige Zufälle zu Geld. Das ist ein Unterschied. Und es ist besonders dieser Osten, der uns die, wie Sie richtig sagen, Piraten des Geschäftslebens beschert. Moral insanity.”

„Ich bin froh, daß wenigstens Herr Bernheim zu seinen Direktoren gehört. Eine Gewähr wenigstens, eine einzige.”

„Ich möchte trotzdem kein Geschäft mit ihm machen”, sagte zu Herrn Enders sein Doppelgänger.

„Hören Sie”, meinte Herr Enders, der immer an alle Möglichkeiten dachte, „Geschäfte machen ist etwas anderes. Wenn wir den Leuten à la Brandeis zeigen, was ein anständiger Kaufmann und was ein biederer Industrieller ist, so erziehen wir sie zur Ehrlichkeit, und das ist ein gutes Werk!”

Die beiden entfernten sich, Theodor blieb hinter der Säule. Dieses Gespräch hatte ihn mit Selbstbewußtsein erfüllt und mit einer großen Dankbarkeit für Herrn Enders. Es war ihm so schwergefallen, einen Dankbesuch bei Brandeis abzustatten! Nun, da er wußte, wie die gute Gesellschaft über den Mongolen dachte, schien Theodor das Auftreten gegenüber Brandeis leichter. Er ist keineswegs mein Wohltäter, dachte er, es ist Deutschland, das ihm Wohltaten erwiesen hat.

Also gerüstet begab sich Theodor am nächsten Tag zu Brandeis. Er ging nicht, wie es sein Bruder Paul einmal getan hatte, zu Fuß hinauf, er stieg in den Lift. Aber hatte Brandeis Paul Bernheim sofort zu sich gebeten, so ließ er Theodor lange warten. Das Wartezimmer war weiß und kahl, Fachzeitschriften, die Theodor nicht interessierten, lagen auf dem Tisch. Theodor begann hin und her zu rennen und wurde müde. Der Kerl versucht mich zu demütigen, dachte Theodor, aber ich werde es ihm heimzahlen! Immer noch ging er auf und ab in dem leeren Zimmer, immer matter wurden seine Schritte, seine schwachen Augen sahen nichts mehr als das verschwimmende und ölige Weiß der Wände. Er zog einen Spiegel aus der Tasche. Er betrachtete sein fahles, eingefallenes Angesicht und war damit zufrieden. Er sah seiner Meinung nach vornehm, entschlossen und weise aus. Er schob die Unterlippe etwas vor, um dem Gesicht zu einem energischeren Profil zu verhelfen. Sein dünner Hals blähte sich. Er fuhr mit den Fingerspitzen noch einmal über den fahlblonden Haarscheitel. In diesem Augenblick rief man ihn zu Brandeis.

Brandeis erhob sich so langsam, daß er erst stand, als Theodor hart am Schreibtisch angekommen war. Etwas hastig, weil er dessen Tiefe nicht richtig eingeschätzt hatte, fiel er in den weichen Sessel. Brandeis ließ sich ebenso langsam niedersinken, wie er sich erhoben hatte. Er wartete. Theodor brachte kein Wort hervor. Es war still. Eine unsichtbare Uhr tickte. Brandeis hielt seine beiden schweren, behaarten Hände auf der Tischplatte.

Schließlich erhob sich Theodor: „Ich muß Ihnen danken!” „Sie müssen gar nichts”, sagte Brandeis, der sitzen geblieben war. „Ihr Bruder überbrachte mir Ihren Wunsch, mich zu besuchen. Ich begreife, daß es gar nicht Ihr Wunsch war. Aber er selbst hatte einen. Er meinte, Sie sollten bei mir eintreten!” „Bei Ihnen?” sagte Theodor. „Ich halte nicht genug davon, ich glaube nicht, daß Sie sich dazu eignen. Außerdem, glaube ich, ist Ihre politische Gesinnung störend, äußerst störend.” „Ich bin konservativ und national.” „Wie man es versteht”, sagte Brandeis sehr leise, „meiner Ansicht nach bin ich konservativ und Sie äußerst radikal. Es ist, glaube ich, nicht konservativ zu schreien, zu demonstrieren und Windjacken zu tragen. Es ist, sagen wir, nicht sehr salonfähig.” „Sie haben kein Recht, darüber zu urteilen.” „Ich habe nur die Pflicht, Ihnen zu helfen!” sagte Brandeis leise.

Theodor setzte sich wieder. Er sah jetzt Brandeis ganz nahe, sein Blick verlor sich in den breiten Gefilden des gelben Angesichts. Er mußte zugeben, daß er selbst über Demonstrationen und Windjacken ähnlich dachte. Er erinnerte sich an Gustavs Familie. Es schoß ihm plötzlich durch den Kopf, daß es besser sein könnte, mit Brandeis vertraut zu werden. Das geht ohne weiteres! dachte er. Und er beugte sich vor und sagte: „Ich habe zufällig gestern ein Gespräch über Sie gehört, Herr Brandeis!” „Und Sie wollen es mir berichten?” „Ja!” „Ich werde Sie enttäuschen. Es interessiert mich nicht. Ich weiß, daß die Menschen, die vor zwanzig Jahren reich geworden sind, mich, weil ich erst seit einem Jahr reich bin, für einen Seeräuber halten. Und vielleicht”, Brandeis lächelte, „halten sie mich auch für gefährlich — man fürchtet mich”, schloß er plötzlich laut.

Dann begann er wieder in seiner gewohnten Sanftheit: „Ich glaube, Sie interessieren sich genügend für Zeitungen, um ein Journalist werden zu können. Nun könnte ich Sie zwar einem politisch rechtsgerichteten Blatt empfehlen. Aber dort gibt es mehrere Ihresgleichen. Dagegen sind Sie vielleicht eine Akquisition für ein demokratisches Blatt, ein großes, von altem Ruf, dessen Verleger mir verpflichtet sind. Ein demokratisches Blatt kann einen jungen Mann von Ihrer rechtsradikalen Vergangenheit sehr gut brauchen. Um offen zu sein: Bei den Juden können Sie Karriere machen. Wollen Sie?” Theodor wollte ja sagen. Aber Brandeis wartete nicht. „Sie werden mir schreiben!” Er stand auf. Stumm, mit einer Verbeugung, die er sofort bereute, weil sie seiner Meinung nach zu tief ausgefallen war, verabschiedete sich Theodor.

Dritter Teil
XVII

Um sieben Uhr abends, zwei Stunden später als seine Angestellten, verließ Nikolai Brandeis sein massives Bürohaus. Um diese Stunde schlossen die drei Warenhäuser, die ihm gehörten, die Kaufläden in den dreiunddreißig Häusern, die ihm gehörten, die sechshundertundfünfzig Beamten und Angestellten zogen schwarze Anzüge an, suchten ihre Abonnements hervor, ihre kleinen Mädchen und ihre vergrämten Frauen und begaben sich in die Theater, die Kinos und Konzerte zu ermäßigten Preisen, die Bürodiener und die Lohnkutscher betraten die Bierkneipen und führten die schmalen Gläser, gefüllt mit schäumender, uringelber Flüssigkeit an die langhaarigen Schnurrbärte. Um diese Stunde strömten die fünftausend Arbeiter aus den Fabriken, deren Aktien Brandeis besaß, in die feuchten Säle voll von kaltem Pfeifenrauch, dumpfem Gestank der Bierfässer, säuerlichem Menschenschweiß, um Politik zu hören. Um diese Stunde gingen die Herren Sekretäre und Oberbeamten ins Kasino zum Spielchen, in die Vorstandssitzung des Stahlhelms, in das Komitee vom Weißen Kreuz, in die Bezirksorganisationen des Reichsbanners, in den Wochenabend der Kreiszahlstelle. Um diese Stunde legten die Chauffeure der hundertundzwanzig Last– und Warenautomobile, die in Brandeis’ Namen durch Straßen und Städte fuhren, ihre Livreen ab, hängten sie an dünne Bügel in numerierte Wandschränke, zogen ein billiges, praktisches Zivil an und genossen die Freiheit, die knappe zwölf Stunden maß an Länge und an Breite. Das war die Stunde, in der die Redakteure des demokratischen Blattes, dessen heimliche Aktien Brandeis heimlich gehörten, den Abenddienst begannen, schmale, glänzende und ausgefranste Lüsterröckchen anzogen und auf die Glockenknöpfe aus weißem Kautschuk drückten. Die Boten kamen auf Fahrrädern mit Parlamentsberichten, mit Gerichtssaalberichten, mit Tagesneuigkeiten, lila kopiert auf billigem Holzpapier, mit politischen Korrespondenzen, und in den ledergefütterten und stickigen Telephonzellen begannen die Apparate zu klingeln, aus Amsterdam und Rotterdam, aus Bukarest und Budapest, aus Kalkutta und Leningrad, und der Leitartikler hatte sein Thema gefunden, wanderte auf und ab und predigte Sätze, denen eine Schreibmaschine das klappernde Echo gab. Alle diese Menschen glaubten, frei zu sein. Kaum kannten sie den Mann, der ihnen Brot gab und Margarine, Kunstbutter und prima Tafelbutter. Sie hielten sich aufrecht und zitterten vor Kündigungen, sie demonstrierten am Sonntag und verbargen pornographische Ansichtskarten vor ihren Frauen, sie herrschten über ihre Kinder und bangten um eine Gehaltserhöhung, sie redeten Leitartikel und zogen die Hüte vor dem Bürochef.

Brandeis kannten sie nicht. Nikolai Brandeis, den Organisator, ja den Schöpfer eines neuen Mittelstandes, den Erhalter des alten, Nikolai Brandeis, der den Organisationen der Mittelständler Rabatte verlieh, der an der Billigkeit der Waren reich wurde, der die Menschen kleidete und nährte, der ihnen kleine Kredite gab und niedliche Häuschen an den Rändern der Städte, der ihnen die Blumentöpfe bescherte und die zwitschernden Kanarienvögel und die Freiheit, die Freiheit, die zwölf Stunden maß an Länge und Breite.

Nikolai Brandeis verließ mit seinem Ersten Sekretär, dem Oberst Meister, um sieben Uhr abends das Büro. Am Abend, vor dem Weggehen, hatte Brandeis plötzlich zu reden begonnen. Der Oberst verstand zuerst sehr wenig. Ähnliche Augenblicke erlebte er, wenn ihm zufällig irgendein Buch in die Hand geriet. Dann verschwammen die Worte zuerst. Hierauf bemühte sich der Oberst, sie einzeln herauszustrählen und noch einmal zu betrachten. Denn er wunderte sich, daß es möglich war, die Worte zu verstehen und nicht ihren Zusammenhang. Jetzt, da Brandeis sprach, überfiel ihn ein ganz unbestimmter Verdacht, daß es sich hier um das handelte, was er „Philosophie” zu nennen gewohnt war. Und erst spät begann er zu begreifen; aber nicht mit seinem alltäglichen Verstand, sondern mit der Hilfe von Nerven, von deren Existenz er früher niemals etwas geahnt hatte.

„Nun”, fuhr Brandeis fort, „bin ich sozusagen vor dem Ziel. Jeder andere an meiner Stelle würde so sprechen. Aber

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