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des anderen Geschlechts kannte. Da erschrak er vor einem Geräusch. Ein Rokokoprinz war vorübergegangen und hatte halblaut seinen Namen gerufen. Er bat das Mädchen, auf ihn zu warten, und ging dem Prinzen nach. Es war Sandor Tekely.

„Ich gratuliere zu Ihrer Eroberung!” sagte Tekely.

„Mir scheint auch, daß sie hübsch ist”, meinte Bernheim. Er war ein wenig unfreundlich, der Störung wegen und weil Tekely ihm gestern ganz anderes und Wichtigeres versprochen zu haben schien.

„Hübsch ist sie natürlich auch”, sagte Tekely. „Aber das ist nicht die Hauptsache. Sie wissen doch, wer sie ist.”

„Keine Ahnung!”

„Es hat keinen Sinn zu leugnen, lieber, lieber Freund! Sie wissen ganz gut, daß es Fräulein Irmgard Enders ist.”

„Enders — chemische Werke?”

„Ja, kehren Sie schnell zurück.”

Paul Bernheim beeilte sich zurückzukehren.

Fräulein Enders hatte ihn erwartet. Aber sie konnte die Veränderung nicht verstehen, die offenbar mit diesem Mann vorgegangen war. Denn es war Paul nun, da er den Namen seiner Partnerin kannte, unmöglich, eine Hand zu rühren. Und während ihm früher ihr Gesicht vollkommen gleichgültig gewesen war, glaubte er jetzt, es sei am wichtigsten zu wissen, wie sie aussehe.

„Ach, du bist langweilig geworden”, sagte Fräulein Enders mit Recht. Und sie wollte sich erheben.

Er hielt sie mit Anstrengung zurück. Noch einmal segnete er den Sandor Tekely. Er begann zu erzählen. Es war immer noch das beste, wenigstens die Zunge zu bewegen, da die Hände schon gelähmt waren. Er fühlte, daß sein Leben von diesem Fräulein abhing und daß er um keinen Preis langweilig erscheinen durfte. Mit dem Respekt vor der chemischen Industrie, der in den Männern vom Schlage Paul Bernheims alle Fähigkeiten der Achtung und der Schätzung ersetzt und alle Wertungen und Maßstäbe bestimmt, mit dem Respekt vor der Chemie, zauberhaft wie ihre Formeln, groß wie die Gläubigkeit der Frommen, die Ergebenheit treuer Monarchisten für Kaiser und Könige und die Verehrung mancher Völker für Tote: mit diesem Respekt begann jetzt Paul Bernheim, Fräulein Enders zu beobachten, zu unterhalten und zu umwerben. Er fürchtete unaufhörlich, die Aufgabe konnte mißlingen. Es war ihm unmöglich, seine frühere Unbefangenheit wiederzufinden. Er sehnte sie herbei. Sie hatte Fräulein Enders gefallen. Aber er bewegte sich zitternd zwischen der Angst, das Bild von der Majestät der Chemie, das er tief in seinem Herzen trug, zu beleidigen, und dem Wunsch, es so geringzuschätzen, daß er die notwendige Freiheit der Tochter großer Männer gegenüber wiederfände.

Er warf sich aufs Erzählen, wie es seine Art war (denn er besaß die literarische Fähigkeit zu lügen), und also berichtete er durcheinander fremde und eigene Erlebnisse, eigene und entlehnte Scherze und Anekdoten, und innerhalb einer Viertelstunde war der alte Paul Bernheim wiederauferstanden, der Charmeur, der Dilettant und der Kenner der Kunstgeschichte. Das Blau seines alten Augenaufschlags aus der Jünglingszeit, das sich mitten zwischen den Inflationsgeschäften ein wenig abgenützt zu haben schien, wurde wieder so leuchtend, daß Fräulein Enders es trotz der Dämmerung bemerken mußte. Er pointierte die Geschichten derart, daß sie wie die echten mythologischen Liebespfeile wenn nicht das Herz, so doch die Phantasie dieses Mädchens treffen mußten. Und er verstand es so gut, ganz zufällig der Held seiner Geschichten zu werden, daß sogar seine Prahlerei die Physiognomie der Bescheidenheit bekam. Er war im besten Zug. Er vergaß nicht, Geschichten, die seinen Mut bewiesen hatten, andere folgen zu lassen, in denen seine furchtsame Menschlichkeit zum Vorschein kam, so daß Fräulein Enders, die schon den unmittelbaren Mut der Tatkraft bewunderte, nun auch den der Aufrichtigkeit zu schätzen begann. Sie unterhielt sich gut in Pauls Gesellschaft. Da sie seinen Erzählungen entnahm, daß er in Oxford erzogen worden war, vermutete sie sofort und automatisch eine Verwandtschaft mit englischer Aristokratie — der einzigen, die noch gelegentlich den Rittern der Chemie imponiert. Als sie den simplen Namen Paul Bernheim erfuhr, denn er hielt darauf, ihn ihr zu sagen, wurde ihr der junge Mann ein wenig rätselhaft, was jungen Mädchen noch mehr gilt als englisch und aristokratisch. Sie sollte von einem guten Freund ihres Hauses abgeholt werden, aber sie zog es vor, Bernheims Begleitung anzunehmen. Ihr Wagen, der an der Straßenecke wartete, und der Chauffeur mit dem durch Technik verschärften Profil eines Lakaien aus alter Rasse versetzten Paul in ein Entzücken, das den Liebhabern vergangener Jahrhunderte nur der Anblick eines Strumpfbands zu entlocken vermocht hatte. Und er geriet in einen Taumel, als er einen englischen Windhund, in wollene Decken verpackt, im Wagen vorfand, einen Hund, der nach Oxford roch und englischem Rasen. Mit einer Anstrengung, die ihm den Atem nahm, überwand er noch im letzten Moment die Pietät für die Gesellschaftsklasse des Fräuleins, und er fand glücklicherweise noch Kraft und Geistesgegenwart genug, knapp drei Minuten vor dem Hotel Adlon den Arm um die Schulter des Mädchens zu legen. Er hatte rechtzeitig daran gedacht, daß körperliche Berührungen am wenigsten vergessen werden.

So war es in der Tat. Paul Bernheim war der erste Mann, der auf das Fräulein Irmgard Enders Eindruck machte. Zwei Hauslehrer, die einmal — sie war damals achtzehn Jahre alt — im Garten ihres Hauses, an schwülen und erregenden Sommernachmittagen die Gewohnheit angenommen hatten, die Lektionen zu unterbrechen und Liebesbeziehungen zu ihr herzustellen, konnten überhaupt nicht zählen. Es waren Domestiken, deren Berührungen, losgelöst von ihren Persönlichkeiten, sich selbständig vollzogen hatten und eine entfernte Ähnlichkeit mit bezahlten Diensten aufwiesen. Sonst gab es nur harmlose Kameraden, Tennisspieler und Sommerschwimmer, Arosa-Rodler und Charlestontänzer. Dieser junge Paul Bernheim aber hatte die Welt gesehn, mußte Erlebnisse haben, einen merkwürdigen Beruf, nach dem sie zu fragen für unpassend gefunden hatte, kannte merkwürdige Leute und auch gute Gesellschaft, sprach über Pferde, auch über Automobile, und sein Gesicht war sympathisch — Irmgard fand es sympathisch.

Sie stellte sich noch einmal im Kostüm vor den Spiegel. Sie gefiel sich. Sie war gewohnt, sich zu gefallen. Ihre Beine waren keineswegs schlecht! Schlecht konnte man nicht sagen! Die Knöchel waren zu stark, wenn man sie mit dem Umfang der Waden verglich, und erschienen zart, weil sie jetzt Hosen trug. Sonst alles tadellos. Die Brust etwas zu hoch angesetzt. Aber dafür die Schultern stark genug, weiß und aufregend, so daß sie, enthüllt, im Abendkleid, die Brüste fast vergessen ließen. Von Bauch keine Spur. Die Hüften ausladend — kam vielleicht von zuviel Reiten? Die Hände stark vom Tennisrakett, aber lang und die Finger wohl proportioniert. Das blonde Gesicht unscheinbar, der Mund für ihren Geschmack zu klein, besonders da die Zähne zu groß waren. Eine verräterische Falte parallel unter dem Kinn — was war das? Doch erst einundzwanzig Jahre? Kam vielleicht von ihrer ekelhaften Gewohnheit, den Kopf so tief zu senken, wenn sie las. Überhaupt brauchte man nicht zu lesen.

Sie wollte übermorgen — wenn Onkel Carl sie abholen kam — eine Andeutung machen. Vielleicht kannte er den Namen? Gott sei Dank hatte sie keine Eltern mehr. Ihre Kameradinnen Lisa, Inge und Hertha hatten viel weniger Freiheit. Derart konnten sie nicht über Auto, Chauffeur, Hund und Kostümfeste verfügen. Waren allerdings keine Persönlichkeiten. Während Irmgard — wie haßte sie diesen Namen, Geschmack einer Vorkriegsgeneration! —, sie, Irmgard, trotzdem Irmgard, eine Persönlichkeit war! Einen Mann konnte sie selbst finden. Sie hatte einen ausgezeichneten Geschmack. Sie konnte hart sein, verachtete Sentiments, und wenn sie auch die noch fast intakte Jungfernschaft ein wenig störte, so wußte Irmgard doch, daß dieser Fehler mehr die Feigheit der Männer bezeugte als ihre eigene.

Sie legte sich befriedigt schlafen und träumte einen der Träume ihrer Generation: in einem grauen, schmalen Sportwagen guter Rasse und so weiter. Knapp vor den ersten Häusern eines Dorfes verschwand der Traum, und ein Schlaf ohne Bilder und ohne Störung begann und dauerte bis elf Uhr vormittags.

XIV

Statt am Donnerstag, wie es vorgesehen war, kam der Onkel Irmgards, Herr Carl Enders, erst am Sonntag. Wenn seine Frau einen Zweifel über Irmgards Sicherheit in Berlin äußerte, so sagte der Herr Enders: „Du kennst Irmgard nicht! Du lebst überhaupt noch in deiner Zeit! Du kennst die jungen Menschen von heute nicht!” Er verehrte den Fortschritt, die Jugend, alle neuen Erfindungen, das Tempo und den Sport. Er fühlte sich in der neuen Zeit wie zu Hause, und er konservierte seine Jugend und seine Gesundheit, nur um eine noch neuere zu erleben. Wenn er in einer der populärwissenschaftlichen Zeitschriften, die er abonnierte und die er mit einer verschwiegenen Geilheit las, als wären sie Pornographie, die Voraussage einer totalen Sonnenfinsternis in Mitteleuropa zu Ende des dritten Jahrtausends sah, so erschütterte ihn die Unmöglichkeit, tausend Jahre zu leben. Und es war in der Tat, wenn man ihn betrachtete, gar nicht einzusehen, aus welchem Grunde ein Mann wie er nicht unsterblich sein sollte. Seine Ingenieure und Beamten, seine Chemiker und seine Gehilfen, seine Werkmeister, seine Kassierer und seine Sekretäre arbeiteten für ihn, obwohl er selbst den ganzen Tag beschäftigt war, obwohl er selbst die Tätigkeit liebte und was er von ihr erzählen konnte. Er war zwecklos fleißig. Die Philosophen der Welt, die Dichter und Denker, die Erfinder und Entdecker dachten für ihn und lieferten seinem Gehirn die notwendige Nahrung. Um ihm eine Freude zu bereiten, überquerten Flieger den Ozean, umkreisten Rekordsammler die Erde auf Fahrrädern, Schlitten und Paddelbooten, gingen Forscher im Eismeer zugrunde, brachen Akrobaten das Genick beim dreimaligen Salto mortale. Er las mit Begeisterung am Ende eines jeden Jahres die Bilanz der Unglücksfälle und hielt alle überfahrenen Fußgänger für schuldig. Langsam sein und keine Geistesgegenwart haben hieß für ihn ein Verbrechen gegen das Tempo begehen, das er verehrte. Er selbst verspätete sich gerne, plauderte Überflüssiges, präsidierte zahllosen Konferenzen, fuhr von Stadt zu Stadt, hielt sich in Museen auf, sammelte Minerale, besuchte Konzerte, in denen moderne Musik gespielt wurde, finanzierte moderne Wohn– und Nutzbauten und Theater, in denen die Regie überraschende Experimente machte. Vor dem Kriege war er einer der eifrigsten Anhänger Kaiser Wilhelms des Zweiten gewesen ... Während des Krieges war er ein Annexionist, weniger aus politischer Überzeugung als aus Vorliebe für Katastrophen. Nach dem Umsturz wurde er einer jener demokratischen Konservativen, die es nur in Deutschland gibt: Sie können Patrioten sein und Kosmopoliten, sich in der Gesellschaft eines Prinzen geehrt fühlen und ihn mitleidig belächeln, den Sozialismus anerkennen und ihn für eine Utopie halten, Arbeiterkolonien bauen und die Arbeiter aussperren, gute jüdische Freunde haben und Ehrenämter in antisemtischen Vereinen, für eine konservative Partei stimmen, sogar als deren Mitglied gewählt werden und sich über einen Sieg der Linken freuen, den Bolschewismus ablehnen und die russischen Sowjets lieben.

Irmgard, die ihren Onkel kannte, hatte wissen müssen, daß ein Mann von so verschiedenen Veranlagungen und Geschäften nicht rechtzeitig kommen würde. Sie glaubte an die Notwendigkeit seiner Tätigkeiten, seiner Reisen, seiner Liebhabereien. Und sooft er sich auch verspätet hatte, sie nahm es immer für eine Folge unvorhergesehener Hindernisse. Darin glich sie ihrer Tante. Als Herr Enders am Sonntag kam, traf er eine in ihrer Art bereits verliebte Irmgard an. Inzwischen hatte sie sich schon dreimal mit Paul Bernheim getroffen. Einmal beim Fünfuhrtee, einmal auf einem ziellosen Ausflug im Auto, das drittemal waren sie spazierengegangen, langsam, beglückt, statt, wie es verabredet gewesen war, Tennis zu spielen. Morgen wollten sie reiten.

Um zu zeigen, daß er ein Kenner der Jugend sei und die zartesten Symptome an seiner Nichte bemerkte, sagte Herr Enders:

„Wir sind verliebt, nicht wahr?”

Irmgard, die ihren Onkel ebenso für altmodisch hielt wie er sich selbst für modern, war durch den Ausdruck „verliebt” gekränkt. Er bezeichnete einen Zustand, der für einen jungen Menschen von heute nicht ganz passend erschien. Sie wiederholte:

„Verliebt?!” Und nach einer Weile: „Vielleicht nur bereit zu heiraten!” „Na also”, sagte Herr Enders. „Es freut mich, daß du modern genug bist, die Liebe nicht mit der Ehe zu verwechseln. Denn du weißt, daß du nicht jeden Beliebigen heiraten kannst. Aber du kannst dich in jeden Beliebigen verlieben.” „Ich bin selbständig, Onkel!”

„Bis zu diesem Punkt!”

Er dachte an die vielen Männer, die sich bei ihm um Irmgard beworben hatten. Es waren Männer verschiedener Kategorien gewesen, Künstler, die er unterstützte und die er von vornherein für unfähig hielt, denn er verband mit der Vorstellung von Kunst eine von geschlechtlicher Impotenz. Er kam nicht zum Bewußtsein seiner Vorurteile, weil er sich unaufhörlich wiederholte und bewies oder zu beweisen glaubte, daß er keine Vorurteile habe. „Ich habe nichts gegen die Armen”, pflegte er zu sagen, „weiß Gott, ich versuche, mit den Armen ebenso zu verkehren wie mit den Reichen, aber schließlich kann man sie nicht mir nichts, dir nichts in die Familie nehmen. Ja, wenn es ein Genie wäre, etwas Außergewöhnliches! Ein Eckener sagen wir, ein Einstein, meinetwegen sogar ein Lenin! ein Kerl!” Und da ihm unter den Armen, die er kannte, kein „Kerl” in den Weg kam, blieben seine Beziehungen zu ihnen distanziert.

Eine Zeitlang hatte er daran gedacht, Irmgard mit einem der Abkömmlinge aus der hohen Aristokratie zusammenzutun, die er unermüdlich unterstützte, einlud, beherbergte und nährte. Er half Zeitschriften begründen, die eine Einigung Europas propagierten, und andere, die einen neuen Krieg vorbereiteten. Und er abonnierte die Zeitschriften auch. Aber ein Instinkt, mächtiger als jede

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