Der goldne Topf - E. T. A. Hoffmann (biblioteka txt) đź“–
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- Autor: E. T. A. Hoffmann
- Epoka: Romantyzm
- Rodzaj: Epika
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eine fremde plötzlich auf ihn einbrechende Macht ihn unwiderstehlich hin zur vergessenen Veronika, und er müsse ihr folgen, wohin sie nur wolle, als sei er festgekettet an das Mädchen. Gerade in der Nacht darauf, als er Serpentina zum ersten Mal in der Gestalt einer wunderbar holdseligen Jungfrau geschaut, als ihm das wunderbare Geheimnis der Vermählung des Salamanders mit der grünen Schlange offenbar worden, trat ihm Veronika lebhafter vor Augen, als jemals. — Ja! — erst als er erwachte, wurde er deutlich gewahr, dass er nur geträumt habe, da er überzeugt gewesen, Veronika sei wirklich bei ihm und klage mit dem Ausdruck eines tiefen Schmerzes, der sein Innerstes durchdrang, dass er ihre innige Liebe den fantastischen Erscheinungen, die nur seine innere Zerrüttung hervorrufe, aufopfern und noch darüber in Unglück und Verderben geraten werde. Veronika war liebenswürdiger, als er sie je gesehen; er konnte sie kaum aus den Gedanken bringen, und dieser Zustand verursachte ihm eine Qual, der er bei einem Morgenspaziergang zu entrinnen hoffte. Eine geheime magische Gewalt zog ihn vor das Pirnaer Tor23, und eben wollte er in eine Nebenstraße einbiegen, als der Konrektor Paulmann hinter ihm herkommend laut rief: „Ei, Ei! — wertester Herr Anselmus! — Amice! — Amice! wo um des Himmels willen stecken Sie denn, Sie lassen sich ja gar nicht mehr sehen — wissen Sie wohl, dass sich Veronika recht sehnt wieder einmal eins mit Ihnen zu singen? — Nun kommen Sie nur, Sie wollten ja doch zu mir!” Der Student Anselmus ging notgedrungen mit dem Konrektor. Als sie in das Haus traten, kam ihnen Veronika sehr sauber und sorgfältig gekleidet entgegen, so dass der Konrektor Paulmann voll Erstaunen fragte: „Nun, warum so geputzt, hat man denn Besuch erwartet? — aber hier bringe ich den Herrn Anselmus!“ — Als der Student Anselmus sittig und artig der Veronika die Hand küsste, fühlte er einen leisen Druck, der wie ein Glutstrom durch alle Fibern und Nerven zuckte. Veronika war die Heiterkeit, die Anmut selbst, und als Paulmann nach seinem Studierzimmer gegangen, wusste sie durch allerhand Neckerei und Schalkheit den Anselmus so hinauf zu schrauben, dass er alle Blödigkeit vergaß und sich zuletzt mit dem ausgelassenen Mädchen im Zimmer herumjagte. Da kam ihm aber wieder einmal der Dämon des Ungeschicks über den Hals, er stieß an den Tisch und Veronikas niedliches Nähkästchen fiel herab. Anselmus hob es auf, der Deckel war aufgesprungen und es blinkte ihm ein kleiner runder Metallspiegel entgegen, in den er mit ganz eigner Lust hineinschaute. Veronika schlich sich leise hinter ihn, legte die Hand auf seinen Arm und schaute sich fest an ihn schmiegend ihm über die Schulter auch in den Spiegel. Da war es dem Anselmus, als beginne ein Kampf in seinem Innern — Gedanken — Bilder — blitzten hervor und vergingen wieder — der Archivarius Lindhorst — Serpentina — die grüne Schlange — endlich wurde es ruhiger und alles Verworrene fügte und gestaltete sich zum deutlichen Bewusstsein. Ihm wurde es nun klar, dass er nur beständig an Veronika gedacht, ja dass die Gestalt, welche ihm gestern in dem blauen Zimmer erschienen, auch eben Veronika gewesen, und dass die fantastische Sage von der Vermählung des Salamanders mit der grünen Schlange ja nur von ihm geschrieben, keineswegs aber erzählt worden sei. Er wunderte sich selbst über seine Träumereien und schrieb sie lediglich seinem durch die Liebe zu Veronika exaltierten Seelenzustande, sowie der Arbeit bei dem Archivarius Lindhorst zu, in dessen Zimmern es noch überdem so sonderbar betäubend dufte. Er musste herzlich über die tolle Einbildung lachen, in eine kleine Schlange verliebt zu sein und einen wohlbestallten geheimen Archivarius für einen Salamander zu halten. „Ja, ja! — es ist Veronika!”, rief er laut, aber indem er den Kopf umwandte, schaute er gerade in Veronikas blaue Augen hinein, in denen Liebe und Sehnsucht strahlten. Ein dumpfes Ach! entfloh ihren Lippen, die in dem Augenblick auf den seinigen brannten. „O ich Glücklicher“, seufzte der entzückte Student, „was ich gestern nur träumte, wird mir heute wirklich und in der Tat zu Teil.” „Und willst du mich denn wirklich heiraten, wenn du Hofrat worden?”, fragte Veronika. „Allerdings!”, antwortete der Student Anselmus; indem knarrte die Tür, und der Konrektor Paulmann trat mit den Worten herein: „Nun, wertester Herr Anselmus, lasse ich Sie heute nicht fort, Sie nehmen vorlieb bei mir mit einer Suppe, und nachher bereitet uns Veronika einen köstlichen Kaffee, den wir mit dem Registrator Heerbrand, welcher herzukommen versprochen, genießen.” „Ach, bester Herr Konrektor”, erwiderte der Student Anselmus, „wissen Sie denn nicht, dass ich zum Archivarius Lindhorst muss, des Abschreibens wegen?” „Schauen Sie, Amice!“, sagte der Konrektor Paulmann, indem er ihm die Taschenuhr hinhielt, welche auf halb eins wies. Der Student Anselmus sah nun wohl ein, dass es viel zu spät sei zu dem Archivarius Lindhorst zu wandern, und fügte sich den Wünschen des Konrektors um so lieber, als er nun die Veronika den ganzen Tag über schauen und wohl manchen verstohlnen Blick, manchen zärtlichen Händedruck zu erhalten, ja wohl gar einen Kuss zu erobern hoffte. So hoch verstiegen sich jetzt die Wünsche des Studenten Anselmus, und es wurde ihm immer behaglicher zumute, je mehr er sich überzeugte, dass er bald von all den fantastischen Einbildungen befreit sein werde, die ihn wirklich ganz und gar zum wahnwitzigen Narren hätten machen können. Der Registrator Heerbrand fand sich wirklich nach Tische ein, und als der Kaffee genossen und die Dämmerung bereits eingebrochen, gab er schmunzelnd und fröhlich die Hände reibend zu verstehen: er trage etwas mit sich, was durch Veronikas schöne Hände gemischt und in gehörige Form gebracht, gleichsam foliiert und rubriziert ihnen allen an dem kühlen Oktoberabende erfreulich sein werde. „So rücken Sie denn nur heraus mit dem geheimnisvollen Wesen, das Sie bei sich tragen, geschätztester Registrator”, rief der Konrektor Paulmann; aber der Registrator Heerbrand griff in die tiefe Tasche seines Matins24 und brachte in drei Reprisen eine Flasche Arrak, Zitronen und Zucker zum Vorschein. Kaum war eine halbe Stunde vergangen, so dampfte ein köstlicher Punsch auf Paulmanns Tische. Veronika kredenzte das Getränk, und es gab allerlei gemütliche muntre Gespräche unter den Freunden. Aber so wie dem Studenten Anselmus der Geist des Getränks zu Kopfe stieg, kamen auch alle Bilder des Wunderbaren, Seltsamen, was er in kurzer Zeit erlebt, wieder zurück. — Er sah den Archivarius Lindhorst in seinem damastnen Schlafrock, der wie Phosphor erglänzte — er sah das azurblaue Zimmer, die goldnen Palmbäume, ja es wurde ihm wieder so zumute, als müsse er doch an die Serpentina glauben — es brauste, es gärte in seinem Inneren. Veronika reichte ihm ein Glas Punsch, und indem er es fasste, berührte er leise ihre Hand. — „Serpentina! Veronika!” — seufzte er in sich hinein. Er versank in tiefe Träume, aber der Registrator Heerbrand rief ganz laut: „Ein wunderlicher alter Mann, aus dem niemand klug wird, bleibt er doch, der Archivarius Lindhorst. — Nun er soll leben! stoßen Sie an, Herr Anselmus!” — Da fuhr der Student Anselmus auf aus seinen Träumen und sagte, indem er mit dem Registrator Heerbrand anstieß: „Das kommt daher, verehrungswürdiger Herr Registrator, weil der Herr Archivarius Lindhorst eigentlich ein Salamander ist, der den Garten des Geisterfürsten Phosphorus im Zorn verwüstete, weil ihm die grüne Schlange davongeflogen.” „Wie — was?”, fragte der Konrektor Paulmann. „Ja”, fuhr der Student Anselmus fort, „deshalb muss er nun königlicher Archivarius sein und hier in Dresden mit seinen drei Töchtern wirtschaften, die aber weiter nichts sind, als kleine goldgrüne Schlänglein, die sich in Holunderbüschen sonnen, verführerisch singen und die jungen Leute verlocken wie die Sirenen.” — „Herr Anselmus — Herr Anselmus”, rief der Konrektor Paulmann, „rappelt’s Ihnen im Kopfe? — was um des Himmelswillen schwatzen Sie für ungewaschenes Zeug?” „Er hat Recht”, fiel der Registrator Heerbrand ein, „der Kerl, der Archivarius, ist ein verfluchter Salamander, der mit den Fingern feurige Schnippchen schlägt, die einem Löcher in den Überrock brennen wie glühender Schwamm. — Ja, ja, du hast Recht, Brüderchen Anselmus, und wer es nicht glaubt, ist mein Feind!” Und damit schlug der Registrator Heerbrand mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser klirrten. „Registrator! — sind Sie rasend?”, schrie der erboste Konrektor. — „Herr Studiosus — Herr Studiosus, was richten Sie denn nun wieder an?” — „Ach!” — sagte der Student, „Sie sind auch weiter nichts als ein Vogel — ein Schuhu, der die Toupets frisiert, Herr Konrektor!” „Was? — ich ein Vogel — ein Schuhu — ein Friseur?” — schrie der Konrektor voller Zorn — „Herr, Sie sind toll — toll!” — „Aber die Alte kommt ihm über den Hals”, rief der Registrator Heerbrand. „Ja, die Alte ist mächtig”, fiel der Student Anselmus ein, „unerachtet sie nur von niederer Herkunft, denn ihr Papa ist nichts als ein lumpichter Flederwisch und ihre Mama eine schnöde Runkelrübe, aber ihre meiste Kraft verdankt sie allerlei feindlichen Kreaturen — giftigen Kanaillen, von denen sie umgeben.“ „Das ist eine abscheuliche Verleumdung”, rief Veronika mit zornglühenden Augen, „die alte Liese ist eine weise Frau und der schwarze Kater keine feindliche Kreatur, sondern ein gebildeter junger Mann von feinen Sitten und ihr Cousin germain25.” „Kann der Salamander fressen, ohne sich den Bart zu versengen und elendiglich daraufzugehn?“, sagte der Registrator Heerbrand. „Nein, nein!”, schrie der Student Anselmus, „nun und nimmermehr wird er das können; und die grüne Schlange liebt mich, denn ich bin ein kindliches Gemüt und habe Serpentinas Augen geschaut.” „Die wird der Kater auskratzen”, rief Veronika. „Salamander — Salamander bezwingt sie alle — alle”, brüllte der Konrektor Paulmann in höchster Wut; — „aber bin ich in einem Tollhause? bin ich selbst toll? — was schwatze ich denn für wahnwitziges Zeug? — ja ich bin auch toll — auch toll!” — Damit sprang der Konrektor Paulmann auf, riss sich die Perücke vom Kopfe und schleuderte sie gegen die Stubendecke, dass die gequetschten Locken ächzten und im gänzlichen Verderben aufgelöst den Puder weit umherstäubten. Da ergriffen der Student Anselmus und der Registrator Heerbrand die Punschterrine, die Gläser, und warfen sie jubelnd und jauchzend an die Stubendecke, dass die Scherben klirrend und klingend umhersprangen. „Vivat Salamander — pereat26 — pereat die Alte — zerbrecht den Metallspiegel, hackt dem Kater die Augen aus! — Vöglein — Vöglein aus den Lüften — Eheu — Eheu — Evoe27 — Salamander!” — So schrieen und brüllten die drei wie Besessene durcheinander. Laut weinend sprang Fränzchen davon, aber Veronika lag winselnd vor Jammer und Schmerz auf dem Sofa. Da ging die Tür auf, alles war plötzlich still und es trat ein kleiner Mann in einem grauen Mäntelchen herein. Sein Gesicht hatte etwas seltsam Gravitätisches, und vorzüglich zeichnete sich die krummgebogene Nase, auf der eine große Brille saß, vor allen jemals gesehenen aus. Auch trug er solch eine besondere Perücke, dass sie eher eine Federmütze zu sein schien. „Ei, schönen guten Abend”, schnarrte das possierliche Männlein, „hier finde ich ja wohl den Studiosum Herrn Anselmus? Gehorsamste Empfehlung vom Herrn Archivarius Lindhorst, und er habe heute vergebens auf den Herrn Anselmus gewartet, aber morgen lasse er schönstens bitten, ja nicht die gewohnte Stunde zu versäumen.” Damit schritt er wieder zur Tür hinaus, und alle sahen nun wohl, dass das gravitätische Männlein eigentlich ein grauer Papagei war. Der Konrektor Paulmann und der Registrator Heerbrand schlugen eine Lache auf, die durch das Zimmer dröhnte, und dazwischen winselte und ächzte Veronika wie von namenlosem Jammer zerrissen, aber den Studenten Anselmus durchzuckte der Wahnsinn des innern Entsetzens und er rannte bewusstlos zur Tür hinaus durch die Straßen. Mechanisch fand er seine Wohnung, sein Stübchen. Bald darauf trat Veronika friedlich und freundlich zu ihm und fragte: warum er sie denn im Rausch so geängstigt habe, und er möge sich nur vor neuen Einbildungen hüten, wenn er bei dem Archivarius Lindhorst arbeite. „Gute Nacht, gute Nacht, mein lieber Freund”, lispelte leise Veronika und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. Er wollte sie mit seinen Armen umfangen, aber die Traumgestalt war verschwunden und er erwachte heiter und gestärkt. Nun musste er selbst recht herzlich über die Wirkungen des Punsches lachen, aber indem er an Veronika dachte, fühlte er sich
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