Hiob - Józef Roth (książki naukowe online .txt) 📖
- Autor: Józef Roth
- Epoka: Romantyzm
- Rodzaj: Epika
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Da die Nachbarn Mendel also schreien und poltern hörten und da sie den graublauen Rauch durch die Ritzen und Spalten seiner Tür in den Treppenflur dringen sahen, klopften sie bei Singer an und riefen, daß er ihnen öffne. Er aber hörte sie nicht. Seine Augen erfüllte der Dunst des Feuers, und in seinen Ohren dröhnte sein großer, schmerzlicher Jubel. Schon waren die Nachbarn bereit, die Polizei zu holen, als einer von ihnen sagte: „Rufen wir doch seine Freunde! Sie sitzen bei Skowronnek. Vielleicht bringen sie den Armen wieder zur Vernunft.”
Als die Freunde kamen, beruhigte sich Mendel wirklich. Er schob den Riegel zurück und ließ sie eintreten, der Reihe nach, wie sie immer gewohnt waren, in Mendels Stube zu treten, Menkes, Skowronnek, Rottenberg und Groschel. Sie zwangen Mendel, sich aufs Bett zu setzen, setzten sich selbst neben ihn und vor ihn hin, und Menkes sagte: „Was ist mit dir, Mendel? Warum machst du Feuer, warum willst du das Haus anzünden?”
„Ich will mehr verbrennen als nur ein Haus und mehr als einen Menschen. Ihr werdet staunen, wenn ich euch sage, was ich wirklich zu verbrennen im Sinn hatte. Ihr werdet staunen und sagen: Auch Mendel ist verrückt, wie seine Tochter. Aber ich versichere euch: Ich bin nicht verrückt. Ich war verrückt. Mehr als sechzig Jahre war ich verrückt, heute bin ich es nicht.”
„Also sag uns, was du verbrennen willst!”
„Gott will ich verbrennen.”
Allen vier Zuhörern entrang sich gleichzeitig ein Schrei. Sie waren nicht alle fromm und gottesfürchtig, wie Mendel immer gewesen war. Alle vier lebten schon lange genug in Amerika, sie arbeiteten am Sabbat, ihr Sinn stand nach Geld, und der Staub der Welt lag schon dicht, hoch und grau auf ihrem alten Glauben. Viele Bräuche hatten sie vergessen, gegen manche Gesetze hatten sie verstoßen, mit ihren Köpfen und Gliedern hatten sie gesündigt. Aber Gott wohnte noch in ihren Herzen. Und als Mendel Gott lästerte, war es ihnen, als hätte er mit scharfen Fingern an ihre nackten Herzen gegriffen.
„Lästere nicht, Mendel”, sagte nach einem längeren Schweigen Skowronnek. „Du weißt besser als ich, denn du hast viel mehr gelernt, daß Gottes Schläge einen verborgenen Sinn haben. Wir wissen nicht, wofür wir gestraft werden.”
„Ich aber weiß es, Skowronnek”, erwiderte Mendel. „Gott ist grausam, und je mehr man ihm gehorcht, desto strenger geht er mit uns um. Er ist mächtiger als die Mächtigen, mit dem Nagel seines kleinen Fingers kann er ihnen den Garaus machen, aber er tut es nicht. Nur die Schwachen vernichtet er gerne. Die Schwäche eines Menschen reizt seine Stärke, und der Gehorsam weckt seinen Zorn. Er ist ein großer, grausamer Isprawnik. Befolgst du die Gesetze, so sagt er, du habest sie nur zu deinem Vorteil befolgt. Und verstößt du nur gegen ein einziges Gebot, so verfolgt er dich mit hundert Strafen. Willst du ihn bestechen, so macht er dir einen Prozeß. Und gehst du redlich mit ihm um, so lauert er auf die Bestechung. In ganz Rußland gibt es keinen böseren Isprawnik!”
„Erinnere dich, Mendel”, begann Rottenberg, „erinnere dich an Hiob. Ihm ist ähnliches geschehen wie dir. Er saß auf der nackten Erde, Asche auf dem Haupt, und seine Wunden taten ihm so weh, daß er sich wie ein Tier auf dem Boden wälzte. Auch er lästerte Gott. Und doch war es nur eine Prüfung gewesen. Was wissen wir, Mendel, was oben vorgeht? Vielleicht kam der Böse vor Gott und sagte wie damals: Man muß einen Gerechten verführen. Und der Herr sagte: Versuch es nur mit Mendel, meinem Knecht.”
„Und da siehst du auch”, fiel Groschel ein, „daß dein Vorwurf ungerecht ist. Denn Hiob war kein Schwacher, als Gott ihn zu prüfen begann, sondern ein Mächtiger. Und auch du warst kein Schwacher, Mendel! Dein Sohn hatte ein Kaufhaus, ein Warenhaus, er wurde reicher von Jahr zu Jahr. Dein Sohn Menuchim wurde beinahe gesund, und fast wäre er auch nach Amerika gekommen. Du warst gesund, dein Weib war gesund, deine Tochter war schön, und bald hättest du einen Mann für sie gefunden!”
„Warum zerreißt du mir das Herz, Groschel?”, entgegnete Mendel. „Warum zählst du mir auf, was alles gewesen ist, jetzt, da nichts mehr ist? Meine Wunden sind noch nicht vernarbt, und schon reißt du sie auf.”
„Er hat recht”, sagten die übrigen drei wie aus einem Munde.
Und Rottenberg begann: „Dein Herz ist zerrissen, Mendel, ich weiß es. Weil wir aber über alles mit dir sprechen dürfen und weil du weißt, daß wir deine Schmerzen tragen, als wären wir deine Brüder, wirst du uns da zürnen, wenn ich dich bitte, an Menuchim zu denken? Vielleicht, lieber Mendel, hast du Gottes Pläne zu stören versucht, weil du Menuchim zurückgelassen hast? Ein kranker Sohn war dir beschieden, und ihr habt getan, als wäre es ein böser Sohn.”
Es wurde still. Lange antwortete Mendel gar nichts. Als er wieder zu reden anfing, war es, als hätte er Rottenbergs Worte nicht gehört; denn er wandte sich an Groschel und sagte:
„Und was willst du mit dem Beispiel Hiobs? Habt ihr schon wirkliche Wunder gesehen mit euren Augen? Wunder, wie sie am Schluß von «Hiob» berichtet werden? Soll mein Sohn Schemarjah aus dem Massengrab in Frankreich auferstehen? Soll mein Sohn Jonas aus seiner Verschollenheit lebendig werden? Soll meine Tochter Mirjam plötzlich gesund aus der Irrenanstalt heimkehren? Und wenn sie heimkehrt, wird sie da noch einen Mann finden und ruhig weiterleben können wie eine, die niemals verrückt gewesen ist? Soll mein Weib Deborah sich aus dem Grab erheben, noch ist es feucht? Soll mein Sohn Menuchim mitten im Krieg aus Rußland hierherkommen, gesetzt den Fall, daß er noch lebt? Denn es ist nicht richtig”, und hier wandte sich Mendel wieder Rottenberg zu, „daß ich Menuchim böswillig zurückgelassen habe und um ihn zu strafen. Aus andern Gründen, meiner Tochter wegen, die angefangen hatte, sich mit Kosaken abzugeben — mit Kosaken! -, mußten wir fort. Und warum war Menuchim krank? Schon seine Krankheit war ein Zeichen, daß Gott mir zürnt — und der erste der Schläge, die ich nicht verdient habe.”
„Obwohl Gott alles kann”, begann der Bedächtigste von allen, Menkes, „so ist doch anzunehmen, daß er die ganz großen Wunder nicht mehr tut, weil die Welt ihrer nicht mehr wert ist. Und wollte Gott sogar bei dir eine Ausnahme machen, so stünden dem die Sünden der andern entgegen. Denn die andern sind nicht würdig, ein Wunder bei einem Gerechten zu sehen, und deshalb mußte Lot auswandern, und Sodom und Gomorra gingen zugrunde und sahen nicht das Wunder an Lot. Heute aber ist die Welt überall bewohnt — und selbst, wenn du auswanderst, werden die Zeitungen berichten, was mit dir geschehen ist. Also muß Gott heutzutage nur mäßige Wunder vollbringen. Aber sie sind groß genug, gelobt sei sein Name! Deine Frau Deborah kann nicht lebendig werden, dein Sohn Schemarjah kann nicht lebendig werden. Aber Menuchim lebt wahrscheinlich, und nach dem Krieg kannst du ihn sehen. Dein Sohn Jonas ist vielleicht in Kriegsgefangenschaft, und nach dem Krieg kannst du ihn sehen. Deine Tochter kann gesund werden, die Verwirrung wird von ihr genommen werden, schöner kann sie sein als zuvor, und einen Mann wird sie bekommen, und sie wird dir Enkel gebären. Und einen Enkel hast du, den Sohn Schemarjahs. Nimm deine Liebe zusammen, die du bis jetzt für alle Kinder hattest, für diesen einen Enkel! Und du wirst getröstet werden.”
„Zwischen mir und meinem Enkel”, erwiderte Mendel, „ist das Band zerrissen, denn Schemarjah ist tot, mein Sohn und der Vater meines Enkels. Meine Schwiegertochter Vega wird einen andern Mann heiraten, mein Enkel wird einen neuen Vater haben, dessen Vater ich nicht bin. Das Haus meines Sohnes ist nicht mein Haus. Ich habe dort nichts zu suchen. Meine Anwesenheit bringt Unglück, und meine Liebe zieht den Fluch herab wie ein einsamer Baum im flachen Felde den Blitz. Was aber Mirjam betrifft, so hat mir der Doktor selbst gesagt, daß die Medizin ihre Krankheit nicht heilen kann. Jonas ist wahrscheinlich gestorben, und Menuchim war krank, auch wenn es ihm besser ging. Mitten in Rußland, in einem so gefährlichen Krieg, wird er bestimmt zugrunde gegangen sein. Nein, meine Freunde! Ich bin allein, und ich will allein sein. Alle Jahre habe ich Gott geliebt, und er hat mich gehaßt. Alle Jahre hab’ ich ihn gefürchtet, jetzt kann er mir nichts mehr machen. Alle Pfeile aus seinem Köcher haben mich schon getroffen. Er kann mich nur noch töten. Aber dazu ist er zu grausam. Ich werde leben, leben, leben.”
„Aber seine Macht”, wandte Groschel ein, „ist in dieser Welt und in der andern. Wehe dir, Mendel, wenn du tot bist!”
Da lachte Mendel aus voller Brust und sagte: „Ich habe keine Angst vor der Hölle, meine Haut ist schon verbrannt, meine Glieder sind schon gelähmt, und die bösen Geister sind meine Freunde. Alle Qualen der Hölle habe ich schon gelitten. Gütiger als Gott ist der Teufel. Da er nicht so mächtig ist, kann er nicht so grausam sein. Ich habe keine Angst, meine Freunde!”
Da verstummten die Freunde. Aber sie wollten Mendel nicht allein lassen, und also blieben sie schweigend sitzen. Groschel, der jüngste, ging hinunter, die Frauen der andern und seine eigene zu verständigen, daß die Männer heute abend nicht nach Hause kommen würden. Er holte noch fünf Juden in Mendel Singers Wohnung, damit sie zehn seien und das Abendgebet sagen können. Sie begannen zu beten. Aber Mendel Singer beteiligte sich nicht am Gebet. Er saß auf dem Bett und rührte sich nicht. Selbst das Totengebet sagte er nicht — und Menkes sagte es für ihn. Die fremden fünf Männer verließen das Haus. Aber die vier Freunde blieben die ganze Nacht. Eine der beiden blauen Lampen brannte noch mit dem letzten Dochtrest und dem letzten Tropfen Öl auf dem flachen Grunde. Es war still. Der und jener schlief auf seinem Sitz ein, schnarchte und erwachte, von seinen eigenen Geräuschen gestört, und nickte wieder ein.
Nur Mendel schlief nicht. Die Augen weit offen, sah er auf das Fenster, hinter dem die dichte Schwärze der Nacht endlich schütter zu werden begann, dann grau, dann weißlich. Sechs Schläge erklangen aus dem Innern der Uhr. Da erwachten die Freunde, einer nach dem andern. Und ohne daß sie sich verabredet hätten, ergriffen sie Mendel bei den Armen und führten ihn hinunter. Sie brachten ihn in die Hinterstube der Skowronneks und betteten ihn auf ein Sofa.
Hier schlief er ein.
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Seit diesem Morgen blieb Mendel Singer bei den Skowronneks. Seine Freunde verkauften die kümmerliche Einrichtung. Sie ließen nur das Bettzeug zurück und den rotsamtenen Sack mit den Gebetsutensilien, die Mendel beinahe verbrannt hätte. Den Sack rührte Mendel nicht mehr an. In der Hinterstube der Skowronneks hing er grau und verstaubt an einem mächtigen Nagel. Mendel Singer betete nicht mehr. Wohl wurde er manchmal gebraucht, wenn ein zehnter Mann fehlte, um die vorgeschriebene Zahl der Betenden vollzählig zu machen. Dann ließ er sich seine Anwesenheit bezahlen. Manchmal lieh er auch dem und jenem seine Gebetriemen aus, gegen ein kleines Entgelt. Man erzählte sich von ihm, daß er oft in das italienische Viertel hinüberging, um Schweinefleisch zu essen und Gott zu ärgern. Die Menschen, in deren Mitte er lebte, nahmen für Mendel Partei in dem Kampf, den er gegen den Himmel führte. Obwohl sie gläubig waren, mußten sie dem Juden recht geben. Zu hart war Jehovah mit ihm umgegangen.
Noch war Krieg in der Welt. Außer Sam, Mendels Sohn, lebten alle Angehörigen des Viertels, die ins Feld gegangen waren. Der junge Lemmel war Offizier geworden und hatte glücklicherweise die linke Hand verloren. Er kam in Urlaub und war der Held des Viertels. Allen Juden verlieh er die Heimatberechtigung in Amerika. Er blieb nur noch in der Etappe, um frischen Truppen den letzten Schliff zu geben. So groß auch der Unterschied zwischen dem jungen Lemmel und dem alten Singer war, die Juden des Viertels stellten beide in eine gewisse Nachbarschaft. Es war, als
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