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griff nach dem Gummiarabikum, um es zusammenzukleben. Mendel Singer zitterte.

Das Gummiarabikum war zu trocken, der Beamte spuckte in das Fläschchen, dann hauchte er es an. Aber es blieb trocken. Er hatte plötzlich einen Einfall, man sah ihm an, daß er plötzlich einen Einfall hatte. Er schloß eine Schublade auf, legte Mendel Singers Papiere hinein, schloß sie wieder zu, riß von einem Block einen kleinen, grünen Zettel, bestempelte ihn, gab ihn Mendel und sagte: „Weißt du was? Morgen früh um neun Uhr kommst du her! Da sind wir allein. Da können wir ruhig miteinander sprechen. Deine Papiere sind hier bei mir. Du holst sie morgen ab. Den Zettel zeigst du vor!”

Mendel ging. Sameschkin wartete draußen, neben den Pferden saß er auf den Steinen, die Sonne ging unter, der Abend kam.

„Wir fahren erst morgen”, sagte Mendel, „um neun Uhr früh muß ich wiederkommen.”

Er suchte nach einem Bethaus, um übernachten zu können. Er kaufte ein Stück Brot, zwei Zwiebeln, steckte alles in die Tasche, hielt einen Juden auf und fragte ihn nach dem Bethaus. „Gehen wir zusammen”, sagte der Jude.

Unterwegs erzählte Mendel seine Geschichte.

„Bei uns im Bethaus”, sagte der Jude, „kannst du einen Mann treffen, der dir die ganze Sache besorgt. Er hat schon viele Familien nach Amerika geschickt. Kennst du Kapturak?”

„Kapturak? Natürlich! Er hat meinen Sohn weggeschickt!”

„Alte Kundschaft!”, sagte Kapturak. Im Spätsommer hielt er sich in Dubno auf, er ordinierte in den Bethäusern. „Damals war deine Frau bei mir. An deinen Sohn erinnere ich mich noch. Gut geht es ihm, was? Kapturak hat eine glückliche Hand.”

Es erwies sich, daß Kapturak bereit war, die Angelegenheit zu über nehmen. Es kostete vorläufig zehn Rubel per Kopf. Einen Vorschuß von zehn Rubeln konnte Mendel nicht geben. Kapturak wußte einen Ausweg. Er ließ sich die Adresse vom jungen Singer geben. In vier Wochen hat er Antwort und Geld, wenn der Sohn wirklich die Absicht hat, seine Eltern kommen zu lassen.

„Gib mir den grünen Zettel, den Brief aus Amerika, und verlaß dich auf mich!”, sprach Kapturak. Und die Umstehenden nickten. „Fahr heute noch nach Hause. In ein paar Tagen komme ich bei euch vorbei. Verlaß dich auf Kapturak!”

Ein paar Umstehende wiederholten: „Verlaß dich ruhig auf Kapturak!”

„Es ist ein Glück”, sagte Mendel, „daß ich euch hier getroffen habe!” Alle gaben ihm die Hand und wünschten ihm eine gute Fahrt. Er kehrte zum Marktplatz zurück, wo Sameschkin wartete. Sameschkin war schon im Begriff, sich in seinem Wagen schlafen zu legen. „Mit einem Juden kann nur der Teufel etwas Gewisses ausmachen!”, sagte er. „Also fahren wir doch noch!”

Sie fuhren.

Sameschkin band sich die Zügel ums Handgelenk, er gedachte, ein wenig zu schlafen. Er nickte wirklich ein, die Pferde scheuten vor dem Schatten einer Vogelscheuche, die ein Spitzbube aus einem Feld fortgetragen und an den Straßenrand gestellt hatte. Die Tiere setzten sich in Galopp, die Fuhre schien sich in die Luft zu heben, bald, so glaubte Mendel, würde sie zu flattern beginnen, auch sein Herz galoppierte, wie ihm schien, es wollte die Brust verlassen und in die Weite hüpfen. Auf einmal stieß Sameschkin einen lauten Fluch aus. Die Fuhre glitt in einen Graben, die Pferde ragten noch mit den Vorderbeinen auf die Straße, Sameschkin lag auf Mendel Singer.

Sie kletterten wieder hervor. Die Deichsel war zersplittert, ein Rad war locker geworden, einem anderen fehlten zwei Speichen. Sie mußten die Nacht über hierbleiben. Morgen wollte man sehn.

„So beginnt deine Reise nach Amerika”, sagte Sameschkin. „Was fahrt ihr auch immer so viel in der Welt herum! Der Teufel schickt euch von einem Ort zum andern. Unsereins bleibt, wo er geboren ist, und nur wenn Krieg ist, zieht man nach Japan!”

Mendel Singer schwieg. Er saß am Straßenrand, neben Sameschkin. Zum ersten Mal in seinem Leben saß Mendel Singer auf der nackten Erde, mitten in der wilden Nacht, neben einem Bauern. Er sah über sich den Himmel und die Sterne und dachte: Sie verdecken Gott. All das hat der Herr in sieben Tagen geschaffen. Und wenn ein Jude nach Amerika fahren will, braucht es Jahre!

„Siehst du, wie schön das Land ist?”, fragte Sameschkin. „Bald wird die Ernte kommen. Es ist ein gutes Jahr. Wenn es so gut ist, wie ich mir vorstelle, kaufe ich noch ein Pferd im Herbst. Hörst du was von deinem Sohn Jonas? Er versteht was von Pferden. Er ist ganz anders als du. Hat dich dein Weib vielleicht einmal betrogen?” „Alles ist möglich”, erwiderte Mendel. Es war ihm auf einmal sehr leicht, alles konnte er begreifen, die Nacht machte ihn frei von Vorurteilen. Er schmiegte sich sogar an Sameschkin wie an einen Bruder.

„Alles ist möglich”, wiederholte er, „die Weiber taugen nichts.”

Plötzlich begann Mendel zu schluchzen. Mendel weinte, mitten in einer fremden Nacht, neben Sameschkin.

Der Bauer drückte seine Fäuste gegen die Augen, denn er fühlte, daß er auch weinen würde.

Dann legte er einen Arm um die dünnen Schultern Mendels und sagte leise:

„Schlaf, lieber Jude, schlaf dich aus!”

Er blieb lange wach. Mendel Singer schlief und schnarchte. Die Frösche quakten bis zum Morgen.

VIII

Zwei Wochen später rollte in einer großen Staubwolke ein kleiner, zweirädriger Wagen vor das Haus Mendel Singers und brachte einen Gast: Es war Kapturak.

Er berichtete, daß die Papiere bereit waren. Sollte eine Antwort in vier Wochen von Schemarjah, genannt Sam, aus Amerika kommen, so würde die Abreise der Familie Singer gesichert sein. Nur dieses hatte Kapturak sagen wollen; und daß ein Vorschuß von zwanzig Rubeln ihm angenehmer wäre, als wenn er das Geld später von der Summe Schemarjahs abziehen müßte.

Deborah ging in die Rumpelkammer aus faulen Holzplanken, die in dem kleinen Hof stand, zog die Bluse über den Kopf, holte ein verknotetes Taschentuch aus dem Busen und zählte sich acht harte Rubel in die Hand. Dann stülpte sie die Bluse wieder über, ging ins Haus und sagte zu Kapturak: „Das ist alles, was ich bei den Nachbarn auftreiben konnte. Sie müssen sich damit zufriedengeben.”

„Einer alten Kundschaft sieht man was nach!”, sagte Kapturak, schwang sich auf sein federleichtes, gelbes Wägelchen und verschwand alsbald in einer Staubwolke.

„Kapturak war bei Mendel Singer!”, riefen die Leute im Städtchen. „Mendel fährt nach Amerika.”

In der Tat begann bereits die Reise Mendel Singers nach Amerika. Alle Leute gaben ihm Ratschläge gegen die Seekrankheit. Ein paar Käufer erschienen, Mendels Häuschen zu besichtigen. Man war bereit, tausend Rubel dafür zu zahlen, eine Summe, für die Deborah fünf Jahre ihres Lebens gegeben hätte.

Mendel Singer aber sagte: „Weißt du, Deborah, daß Menuchim zurückbleiben muß? Bei wem wird er bleiben? Billes verheiratet im nächsten Monat seine Tochter an den Musikanten Fogl. Bis sie ein Kind bekommen, können die jungen Leute Menuchim behalten. Dafür geben wir ihnen die Wohnung, und wir nehmen kein Geld.”

„Ist es schon für dich eine ausgemachte Sache, daß Menuchim zurückbleibt? Es sind noch ein paar Wochen mindestens bis zu unserer Abreise, bis dahin tut Gott sicher ein Wunder.”

„Wenn Gott ein Wunder tun will”, erwiderte Mendel, „wird er es dich nicht vorher wissen lassen. Man muß hoffen. Fahren wir nicht nach Amerika, so geschieht ein Unglück mit Mirjam. Fahren wir nach Amerika, so lassen wir hier Menuchim zurück. Sollen wir Mirjam allein nach Amerika schicken? Wer weiß, was sie anstellt, allein unterwegs und allein in Amerika. Menuchim ist krank, daß ihm nur ein Wunder helfen kann. Hilft ihm aber ein Wunder, so kann er uns folgen. Denn Amerika ist zwar sehr weit; aber es liegt dennoch nicht außerhalb dieser Welt.”

Deborah blieb still. Sie hörte die Worte des Rabbi von Kluczysk: „Verlaß ihn nicht, bleibe bei ihm, als wenn er ein gesundes Kind wäre!” Sie blieb nicht bei ihm. Lange Jahre, Tag und Nacht, Stunde um Stunde hatte sie auf das verheißene Wunder gewartet. Die Toten im Jenseits halfen nicht, der Rabbi half nicht, Gott wollte nicht helfen. Ein Meer von Tränen hatte sie geweint. Nacht war in ihrem Herzen, Kummer in jeder Freude gewesen seit Menuchims Geburt. Alle Feste waren Qualen gewesen und alle Feiertage Trauertage. Es gab keinen Frühling mehr und keinen Sommer. Winter hießen alle Jahreszeiten. Die Sonne ging auf, aber sie wärmte nicht. Die Hoffnung allein wollte nicht sterben. „Der bleibt ein Krüppel”, sagten alle Nachbarn. Denn ihnen war kein Unglück zugestoßen, und wer kein Unglück hat, glaubt auch nicht an Wunder.

Auch wer Unglück hat, glaubt nicht an Wunder. Wunder geschahen vor ganz alten Zeiten, als die Juden noch in Palästina lebten. Seitdem sind keine mehr gewesen. Dennoch: Hatte man nicht mit Recht merkwürdige Taten des Rabbi von Kluczysk erzählt? Hatte er nicht schon Blinde sehend gemacht und Gelähmte erlöst? Wie war es mit Nathan Piczeniks Tochter? Verrückt war sie gewesen. Man brachte sie nach Kluczysk. Der Rabbi sah sie an. Er sagte seinen Spruch. Dann spuckte er dreimal aus. Und Piczeniks Tochter ging frei, leicht und vernünftig nach Haus.

Andere Menschen haben Glück, dachte Deborah. Für Wunder muß man auch Glück haben. Mendel Singers Kinder haben aber kein Glück! Sie sind eines Lehrers Kinder!

„Wenn du ein vernünftiger Mensch wärest”, sagte sie zu Mendel, „so würdest du morgen nach Kluczysk fahren und den Rabbi um Rat fragen.”

„Ich?”, fragte Mendel. „Was soll ich bei deinem Rabbi? Bist einmal dort gewesen, fahr noch einmal hin! Glaubst an ihn, dir wird er einen Rat geben. Du weißt, daß ich nichts davon halte. Kein Jude braucht einen Vermittler zum Herrn. Er erhört unsere Gebete, wenn wir nichts Unrechtes tun. Wenn wir aber Unrechtes tun, kann er uns strafen!”

„Wofür straft er uns jetzt? Haben wir Unrecht getan? Warum ist er grausam?”

„Du lästerst ihn, Deborah, laß mich in Ruh’, ich kann nicht länger mit dir reden.” Und Mendel vertiefte sich in ein frommes Buch.

Deborah griff nach ihrem Schal und ging hinaus. Draußen stand Mirjam. Sie stand da, gerötet von der untergehenden Sonne, in einem weißen Kleid, das jetzt orangen schimmerte, mit ihren glatten, glänzenden schwarzen Haaren und sah gradaus in die untergehende Sonne mit ihren großen, schwarzen Augen, die sie weit offenhielt, obwohl sie die Sonne ja blenden mußte. Sie ist schön, dachte Deborah, so schön bin ich auch einmal gewesen, so schön wie meine Tochter — was ist aus mir geworden? Mendel Singers Frau bin ich geworden. Mirjam geht mit einem Kosaken, sie ist schön, vielleicht hat sie recht.

Mirjam schien ihre Mutter nicht zu sehn. Sie beobachtete mit leidenschaftlicher Genauigkeit die glühende Sonne, die jetzt hinter einem schweren, violetten Wall von Wolken versinken wollte. Seit einigen Tagen stand diese dunkle Masse jeden Abend im Westen, kündigte Sturm und Regen an und war am nächsten Tag wieder verschwunden. Mirjam hatte beobachtet, daß in dem Augenblick, in dem die Sonne untergetaucht war, drüben in der Kavalleriekaserne die Soldaten zu singen begannen, eine ganze Sotnia begann zu singen, immer dasselbe Lied: „Polubil ja tibia za twoju krasotu.” Der Dienst war zu Ende, die Kosaken begrüßten den Abend. Mirjam wiederholte summend den Text des Liedes, von dem sie nur die ersten zwei Verse kannte: „Ich habe dich liebgewonnen, deiner Schönheit wegen.” Ihr galt das Lied einer ganzen Sotnia! Hundert Männer sangen ihr zu. Eine halbe Stunde später traf sie sich mit einem von ihnen oder auch mit zweien. Manchmal kamen drei.

Sie erblickte die Mutter, blieb ruhig stehen, wußte, daß Deborah herüberkommen würde. Seit Wochen wagte die Mutter nicht mehr, Mirjam zu rufen. Es war, als ginge von Mirjam selbst ein Teil des Schreckens aus, der die Kosaken umgab, als stünde die Tochter schon unter dem Schutz der fremden und wilden Kaserne.

Nein, Deborah rief Mirjam nicht mehr. Deborah kam zu Mirjam. Deborah, in einem alten Schal, stand alt, häßlich, ängstlich vor der goldüberglänzten Mirjam, hielt ein am Rande des hölzernen Bürgersteigs, als befolgte sie ein altes Gesetz, das den häßlichen Müttern befahl, einen halben Werst tiefer zu stehen als die schönen Tochter.

„Der Vater ist bös, Mirjam!”, sagte Deborah.

„Laß ihn böse sein”, erwiderte Mirjam, „deinen Mendel Singer.”

Zum ersten Mal hörte Deborah den Namen des Vaters aus dem Munde eines ihrer Kinder. Einen Augenblick schien es ihr, daß hier eine Fremde sprach, nicht Mendels Kind. Eine Fremde — weshalb sollte sie auch „Vater” sagen? Deborah wollte umkehren, sie hatte sich geirrt, sie hatte zu einem fremden Menschen gesprochen. Sie machte eine kurze Wendung. „Bleib!”, befahl Mirjam — und Deborah fiel es zum ersten Mal auf, mit welch harter Stimme ihre Tochter sprach. Eine kupferne Stimme, dachte Deborah. Sie klang wie eine der gehaßten und gefürchteten Kirchenglocken.

„Bleib hier, Mutter!”, wiederholte Mirjam, „laß ihn allein, deinen Mann, fahr mit mir nach Amerika. Laß Mendel Singer und Menuchim, den Idioten, hier.”

„Ich habe ihn gebeten, zum Rabbi zu fahren, er will nicht. Allein fahr ich nicht mehr nach Kluczysk. Ich habe Angst! Einmal schon hat er mir verboten, Menuchim zu lassen, und wenn seine Krankheit Jahre dauern sollte. Was

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