Vigilien - Stanisław Przybyszewski (czytaj książki przez internet za darmo TXT) 📖
- Autor: Stanisław Przybyszewski
- Epoka: Modernizm
- Rodzaj: Liryka
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Es schrie so furchtbar, dass ich wie taub wurde; nur ein Empfinden blieb — ein Empfinden, wie wenn sich ungeheure Nebelkreise zu Riesenfäusten ballten, und dann fühlte ich ganz deutlich, wie der Willensimpuls auf meine Muskeln überging und ich beide Hände in die Höhe hob, wie zu einem Schlag, der alles zertrümmern, tief in die Erde einstampfen sollte.
Da plötzlich fühlte ich etwas leuchtend Nacktes, doch nicht in den Augen; es war rings um das Herz herum, kalt, gleißend, leuchtend. Es war nichts Leibliches, auch nichts von dieser Welt; es war, wie wenn sich etwas ungeheuer Weiches, Flüchtiges in mir mit etwas Verwandtem berührt hätte.
Ich fühlte sie.
Ich wurde plötzlich nüchtern, ich bebte und zitterte, meine Hände waren ausgestreckt und liefen wie im Fieber herum, ich sah ihre Gestalt deutlich aus den kreisenden Nebeln tauchen.
Noch stand sie da, aber jetzt spreizte sie die Arme auseinander, und mit höhnendem, zynischem Blick, mit spitzem Lachen schrie, kreischte sie mir zu: Ja, würge, würg’ mich doch!
Eine wahnsinnige Wut befuhr mich, ich packte sie mit eisernen Krallen, schleifte, riss sie durch das Atelier, und dann, mit heiserem Kreischen, das mir wie das Knirschen berstender Porzellanscherben in die Ohren kreilte, stieß ich sie wie einen Haufen Lumpen von mir.
Und da, da aus der Ecke da, traf mich aus den weit, stier aufgerissenen Augen ein Blick, der aus einer Hölle dumpf abgründiger Macht hervorgestoßen schien, ein Blick, in dem der ganze ekle, lauernde, heimtückische Hass der Sklavenohnmacht keuchte.
Und sie rächte sich. Ich wurde Zeuge, wie sie ihn, in meiner Gegenwart, brutal begehrte. Ich sah es, ich als Zeuge, und der Mann blutet in mir. Tropfen für Tropfen seh ich ihn mein Blut verlieren; ja, es rieselt, ja es tropft, das stolze Mannesblut. Und leiden ließ sie mich, leiden — nicht mich allein: eine ganze Menschheit in mir. Alle die Zuchtwahlsempfindungen, durch Millionen Jahre in mir angehäuft, durch endlose Wogen von Geschlechtern zu mir fortgeerbt, krümmen sich und zischeln und bäumen sich und schäumen vor Wut, wie wenn ein Riesenfuß auf sie getreten hätte.
O, das elende Weib, das eine ganze Menschheit zertrümmern darf!
Ja, sie rächt sich. Noch immer sehe ich die Sonne am verblutenden Himmel, und immer fühle ich sie um mich. Sie steht da hinter meinem Stuhl, sie beugt sich über mich mit grinsendem Hohngelächter, sie geht herum wie ein Gespenst auf leisen, bösen, unhörbaren Zehen. Ich höre sie draußen, ich seh’ sie in der Tür. Ich höre ihre Stimme, immer ist sie da. Dreh’ ich mich dann um, seh’ ich in die schwarze Leere, in die schwarze Hölle ihres Hasses.
Ich stehe auf der Straße. Um die Wurzel dieses in die Erde eingerammten Gaskandelabers spielen so seltsam gerippte, schwarze, eckige Schatten der Nacht.
Dir das Opfer, du neuer Gott: du Gott des Schweigens und der Nacht!
Ich stehe auf der Straße. Hinter dir, du krankes, schlankes Reh, schleicht fremder Schritte wankende Trunkenheit, und in meinem Ohr tost fernes, hohles Rädergeroll.
Da — vor mir, in endloser, unförmiger Masse, ein ungestaltes schwarzes Riesentier: der Gott meines Schattens, der Gott meines Schweigens.
Blödsinn! Mein Schatten.
Auf der Straße eine große, nasse Pfütze, und silbern und in stiller Ruhe ruht auf ihm, gefingert, eine weiße Riesenhand. Nein, der Schein des elektrischen Lichtes.
Gott, was ruht die Riesenhand auf der Pfütze?!
Die Hand des Gottes auf der Pfütze des Lebens — wie schwer sie ruht, wie breit gefingert!
Und da: daneben steht ein Kerl mit fürchterlichem Knüppel und schlägt hinein, dass spritzende Kotmassen weit herumfliegen und mein Gesicht beschmutzen.
Tötet er endlich die breitgefingerte Hand?
Dass er’s doch täte! Dass ich mit eigenen Fingern in mein Leben packen, in sein Räderwerk mit eigenen Zähnen hineinbeißen könnte!
Ruhe — Stille.
Und jetzt den Damm entlang.
Das schwarze Wasser da unten; Unendlichkeit von Tiefe, von Gram.
Ich beuge mich über die Ballustrade, blicke die Böschung hinab.
Und wieder Lichter. Weiße, schmale Streifen, und jeder Streifen ein runder, großer Zylinder; weißer Strich in der Mitte, verfließend nach den Rändern hin mit tief und tiefer blauen Schatten, und weiter feinen, feinsten Abstufungen ins Schwarze hinein.
Das sind die Gedanken meiner unbewussten, dunklen, maßlosen Tierseele; wie spärlich, wie ärmlich, wie verfließend.
Ein Meer von Licht, ein endloses Bewusstsein will ich haben, um mit eigenen Zähnen in das Räderwerk meines Schicksals hineinzubeißen! —
Vorn im Straßendunkel tauchen zwei glühende Reihen Laternenlichter auf, parallel nach beiden Seiten hin verschwindend; ein Lichtkreis in den andern eingekeilt, mit spielend strahlenden Protuberanzen. Und diese beiden Reihen stehen vor der schwarzen Wand des Himmels, der die Erde im nächtlichen Schweigen küsst. Sie stehn wie Flammenschwerter vor dem Tore des verlornen Paradieses und hüten die Geheimnisse überweltlicher Lüste; sie, die schweigenden Paradieserzengel.
Und ich gehe und gehe in die schwarze Nacht hinein. Weitab verschwimmt die Stadt, nur von ferne zucken flimmernde Reflexe, Fäulnisphosphoreszenzen eines Sarkophages.
Im feuchten, taubehangenen Moose lieg’ ich; über mir der Sternenhimmel, dunkle Fernen vor mir, und in meinem Herzen Angst und Grauen.
Ja, mir graut vor diesen schweigenden Geheimnissen, Angst steigt in mir auf, zittert, wühlt in allen meinen Fibern; jeder Grashalm, der sich zu mir neigt, wird mir zur Angst, das Säuseln des Windes, die ganze Welt ist mir zur Angst geworden. Das Weib lebt und zuckt in ihr, treibt und ängstigt mich; sie peitscht mein Herz in wilde Raserei, wie eine Flutwelle staut sie sich in mir, grinst in mir empor, wächst sich aus zu langen Fingern und umkrallt meinen Kehlkopf — oh, das fürchterliche Gesicht mit den dumpf abgründigen Augen! ich sehe es, ich seh’ es wieder.
Die Lichter erlöschen. Über den weiten, öden Feldern brütet die Angst des Todes. Kalt, öde stehen am Wege die Stümpfe kahler Bäume. Von Zeit zu Zeit streicht der Wind über die toten, schwarzen Felder und pfeift ein schauriges Nachtlied.
Ich gehe an der Hand meiner Mutter auf dem kotigen Landweg. Wilde, unheimliche Angst lähmt meine Glieder.
Hinter uns auf einem Hügel, eine dicke schwarze Masse, steht die Kirche.
Es ist Allerseelentag.
Über, um uns, wie ein Alpdruck wahnsinnigsten Grauens, die Nacht.
Jetzt werden die Toten aus ihren Gräbern auferstehn und in die Kirche gehen. Der alte tote Priester wird das Ornat umnehmen, das auf dem Altar liegt, wird das große, silberbeschlagene Messbuch lesen, und in der ganzen Kirche nichts als das schaurige Geklapper von Gerippen, nichts als das öde Grabesschwarz, das in den dumpfen Augenhöhlen brütet, nichts als das Grinsen der weißen Zähne und das Leuchten weißer Leinentücher. Und sie stehen da, um den schwarzen Sarg, der auf dem Katafalk steht; sie stehen da, in dem unheimlichen, schwachen, gelblichen Schein der faustdicken Totenkerzen.
Angstschweiß bricht aus allen Poren meines Körpers, fester halt’ ich die Hand der Mutter, und ich fühle, wie sie zittert.
Wir gehen schneller und schneller, ich keuche, kaum kann ich mehr atmen.
Da plötzlich, an einem Baum, ein Geräusch, wie vom Anstreichen eines Schwefelhölzchens, und im selben Nu taucht aus dem Dunkel eine Gestalt in schwarzen, kotigen Lumpen, einen jungen Baumstamm in der einen Hand, in der andern eine Totenkerze.
Ich sehe das gelbe, flackernde Licht, ich sehe das grässliche Grinsen und zwei Augen, aus denen der Wahnsinn wilde Phosphoreszenzen wirft.
Und jetzt ein pfeifender Ton: der Wahnsinnige hebt seine Keule hoch, er schwingt die Kerze hin und her.
Meine Mutter fällt in die Knie, ich will schreien, bringe keinen Laut von mir.
Plötzlich hebt sich meine Mutter auf:
— Gelobt sei Jesus Christus! keucht sie mühsam hervor.
Der Mann leuchtet ihr mit der Kerze in die Augen; über sein grässlich entstelltes, blutig zerkratztes und zerrissenes Gesicht geht ein wildes, grauenhaftes Grinsen, seine Augen quellen hervor, die tollgewordene Hyäne glotzt aus ihnen heraus.
Er hebt die Keule hoch und schwingt und schüttelt sie mit wildem Jauchzen in rasenden Sprüngen über unsern Köpfen.
In diesem Augenblicke wird die Kerze vom Winde ausgelöscht, der Wahnsinnige gleitet in einer Kotlache aus, fällt um.
Die Mutter rennt, wie nur in fürchterlichster Todesgefahr Menschen rennen können, sie zerrt, schleppt mich mit, aber der Irre hat uns schon eingeholt und tanzt vor uns in wilden, affenartigen Sprüngen.
Jetzt können wir uns kaum noch schleppen; in letzter Verzweiflung sprechen wir beide laut ein Gebet.
Der Mann verzerrt entsetzlich das Gesicht, knirscht mit den Zähnen, lallt und schreit und schwingt seine Keule; ein Schlag schon hätte genügt, uns beide zu Boden zu strecken. Dann stellt er sich hinter uns, äfft unsern Gang nach, und mit dämonischem Lachen wiederholt er unaufhörlich:
Eins — Zwei! Eins — Zwei!
Da plötzlich ein Kreuz am Wege. Der Wahnsinnige bleibt bedächtig stehen, pflanzt die Kerze in den Boden und springt über sie, hin und zurück, hin und zurück.
Die Mutter fällt mit mir in einen tiefen Graben, wir sind gerettet...
Nein, jetzt seh’ ich sie schon wieder, die wahnsinnigen Augen; sie leuchten über mir wie zwei erstorbene Sonnen in mattem, metallischem Glanz, ich sehe sie in mir, mit kalten Strahlen kriechen sie an jedem meiner Nerven in die innersten Wurzeltiefen herab, mein Herz stockt.
Ist das der Wahnsinn?
Sie — das Weib war in ihm; er — sie kommt mir als Vorbote, als ein Ölzweig des ewigen Bewusstseinsfriedens im Wahnsinn, des öden, toten Friedens der Novemberfelder am Allerseelentag.
Und dann wird die Nacht kommen — und ich am Kreuze mit der Kerze — her mit der Keule und der Kerze!
Und jetzt das Wiehern der Hölle in ihrer gottbewussten Seligkeit; mit stampfendem Fuß reißt mir der Teufel das Herz aus der Brust und zündet Feuer an im Gehirne, und ich wie ein Stier mit dem Bündel angezündeten Reisigs — toll, wild, rasend.
Nein, nein, das ist zu furchtbar.
Und einen Gesang höre ich, singend auf tausend Nervenpfeifen, zuckend mit tausend nackten Tastkörperchen, einen physischen, schmerzenden Würgegesang. Und ein Herz, ein Herz voll wüster Liebe fühle ich, wie es Blut in diesen Gesang hineingießt und ihn füllt mit Siedehitze, immer heißer, zuckender und wütender, bis er birst und sich um mich, über mich, in mich hinein ergießt mit feuchter, warmer, dampfender Blutatmosphäre. ..
Nein, es klingt anders: weiß, ganz weiß, hoch auf den höchsten Bergen geschmolzen. Im Strom fließt es hernieder ins Tal, lautlos glitscht es herab auf den breiten Eisfiesen und wird so weich und flüssig; ausgebreitet über tausend Bergabhänge, strömend über tausend nackte Felsen.
Ich höre es so mild, so weich, dies uralte Gnadenlied der nächtlichen Himmelsseligkeit mit den milden, tränenden Blicken...
Und da geschah es!
Auf meiner Seele trauerflorumflossenen Acker fiel eine blasse Rose herab.
Ich weiß nicht, welchen Engels Hand sie mir zugeworfen, ich weiß nicht, welcher Lebenssturm sie mir zugeweht hatte.
Ist sie auf Gräbern im Schatten düsterer Trauerweiden geboren? Ist sie aus bleichen Strahlen längst erstorbener Welten gesponnen? Floss sie zu mir her auf silbernen Todeswellen weicher Nebeldünste?
Auf den weiten Acker meiner Seele ist die blasse Rose gefallen.
Zitternd dämmert hinter den Bergen in lichtem Golde die Sonne, und in wildem, verwegenem Bogen wölbt sich der Morgen empor.
Weib, du in mir. Ich — Du. Du — Ich.
Und in einander geschlungen wie die üppigen Triebe wilder Lianen, und in einander gefädelt wie des menschlichen Wirkens endlose Fäden, so ruhen wir, du Herz von meinem Herzen, Hirn von meinem Gehirn. —
Du mit den Knabenbrüsten —
Androgyne!
Und nun still, so still, dass jeder Ton in der Luft hängen bleibt, dass jeder Lichtstrahl in der Atmosphäre taub wird.
Kein Ton und kein Licht...
Ich liege da, so weich gebettet, so still um mich herum, so weich und still.
Und dieses melancholische Dunkel, dieses lustmüde, kranke Dunkel mit den fieberheißen, pochenden Schläfen.
Die Rosen ganz welk. Wie sie zittern in dem düstern Flor des Dunkels, und in den Urnen ihrer Kelche ruht der Tod, und die Blätter fallen ab — wie Töne einer berührten Saite...
Und wieder seh ich dich wie einst, in deiner nackten Gliederpracht; doch du bist mir fern, und ich sehe dich an mit dem kalten Blick gestillter Brünste.
Mein großes Auge, die Weltensonne, hat dich aus der Dunkelheit herausgehoben. Mein kosmischer Wille hat in dir die Ewigkeit besucht. Du warst das lächerliche Spielzeug, das unter meinen Händen zum Fetisch, zum heiligen Idol wurde. Ich habe in dir die Lüste geweckt und dir ewig neue Reize angedichtet — doch jetzt ist mein Blick für dich erloschen, nicht mehr schlägt das Herz in den Rhythmen deiner Lust.
Nein, nein!
Du nicht, mit deines Leibes lockenden Lüsten.
Du nicht, mit deines Schoßes tierischer Brut.
Dich brauch ich nicht, und gleichgültig ist mir mein blonder Knabe, dies lächerliche Stück Unsterblichkeit...
Doch Du in mir, Du meines Hirnes ewige Gefährtin. Du meines Herzens uferlose Macht —
Du nur, Du zerlegt in tausend Flächen, Du zerstäubt in tausende Stäubchen Duftreiz —
Du in Milliarden Lichtfunken —
Du, zersiebt, zerflockt, zerfasert in tausend Stimmungen, in tausend träufelnde Gefühle —
Du, die Abendröte über dem herbstlichen Feld —
Du, der mystische Reiz der Religionen, Du warst und bist meine Unsterblichkeit:
Du meine große, heilige Kunst!
Verschwunden ist mir deines Leibes Pracht und vergessen; doch Du in Mir bist der Aufgang einer neuen Welt. Neue Instinkte habe ich geschaffen, tausend schlummernde Organe zum Genuss erweckt, tausend neue Verbindungen in hundert Gehirnen gestiftet, und das alles seh’ ich zeugen fort und fort, und das alles seh ich
Uwagi (0)